Ein Gewinn ist
also nicht Zuwachs an Organisationswissen, sondern das Bewusstsein für das
eigene Tun, die Öffnung neuer Perspektiven. Die erlebte Irritation durch die
Künstlerische Intervention kann bewirken freier, offener an die Arbeit heranzugehen,
Zwänge und selbst auferlegte Restriktionen abzulegen, entspannter, ideenreicher
zu sein – es sind qualitative Veränderungen, die für die Performance eines
Unternehmens genutzt werden können.
Ein Unternehmer
sagte zum Beispiel: „Ich weiß nicht was geschehen ist, die Leute gehen jetzt
einfach grader und schauen mir in die Augen, wenn sie mich am Gang treffen.“
Man sieht die Welt
mit anderen Augen. Das gilt sowohl für die einzelnen
Personen als auch Gruppen/Teams und die Organisationsebene. Dabei verstärkt
sich die Wirkung wechselseitig, der Funke springt über! Die Kraft
der Irritation durch künstlerische Intervention liegt darin, Möglichkeitsräume
zu eröffnen, in denen mit neuen Formen des Sehens, Denkens und Handelns
experimentiert werden kann.
Interview mit der Künstlerin und Kunstmanagerin Isabelle Uhl, Mitglied im Künstler_innen-Pool des Instituts für Kunst und Wirtschaft
Helga Stattler: Ich habe dich bei einem Projekt als Schauspielerin und Trainerin kennen gelernt. Wann hast du deine künstlerische Ader entdeckt?
Isabelle Uhl: Das war kein gerader Weg. Ich komme aus einem unkünstlerischen Umfeld. Dass ich schon sehr früh zu tanzen begann, habe ich selbst initiiert, zunächst Ballett, dann zeitgenössischer Tanz. Bei der Entscheidung für ein Studium an der Universität des Saarlandes entschied ich mich aber zunächst für Informationswissenschaften und Germanistik. In Saarbrücken gab‘s dann auch eine freie Theatergruppe, dort spielte ich. Dazu verdiente etwas Geld mit Statisterie am Staatstheater Saarbrücken und bekam dann dort auch kleinere Rollen. Zudem hab ich beim Saarländischen Rundfunk und Fernsehen gejobbt und übernahm Regieassistenzen. Nach dem Studienabschluss entschied ich mich (doch) noch Schauspiel zu studieren, um das Handwerk zu erlernen. Deshalb ging ich 1996 nach Wien und besuchte drei Jahre die Schauspielschule Krauss. 1997 wurde in Wien das „urtheater“ gegründet, das 1999 in der Drachengasse mit Improtheater bekannt wurde. Da war ich von Anfang an dabei.
Helga Stattler: 1999 entstanden ja einige Institutionen, in denen sich Kunst mit Gesellschaft und Arbeitswelt auseinandersetzt: Wolfgang Kainz gründete das „Business Theater Wien“ und Walter Kosar gemeinsam mit mir „the company stage“, Unternehmenstheater. Die ersten Theaterworkshops für Führungskräfte wurden von innovativen Personalentwicklern eingesetzt.
Isabelle Uhl: Im urtheater arbeiteten auch einige Kolleg_innen mit Theatermethoden für Teamtrainings, bei Workshops und Firmenveranstaltungen. Wir hatten bereits 20 Mitglieder, meine Rolle war damals Produktionsleitung und PR bei Theaterproduktionen des urtheater. Parallel war ich immer auch als freie Schauspielerin aktiv, kurz auch mal fix im Burgtheater. In Wien war die Zeit der Theaterreform und wir reichten damals ein gemeinsames Arbeitskonzept mit zwei anderen freien Gruppen ein. Gleichzeitig war bei mir auch die Zeit für Familie und drei Kinder. Wir bekamen als Leitungsteam das TAG (Theater an der Gumpendorferstrasse) und ich besann mich auf meine Stärken, nämlich beide Seiten zu leben, die künstlerischen Fähigkeiten und die organisatorischen. So arbeite ich im TAG als Leiterin der Dramaturgie und Assistenz der künstlerischen Leitung.
Helga Stattler: Wie schaut bei dir die Dramaturgie einer künstlerischen Intervention aus? Wie würdest du vorgehen?
Isabelle Uhl: Bei einer künstlerischen Intervention würde ich im Unternehmen zunächst das Gespräch mit den Menschen suchen, um herauszufinden: Wie sind sie drauf, welche Teams gibt es, welche Strukturen? Und: Wie sind sie aufgestellt, wie denken sie, hat das Potenzial genügend Raum, um sich zu entfalten? Wahrscheinlich nicht, weil es kein perfektes Umfeld gibt. Dann würde ich ein Setting überlegen, wie dieses Potenzial entfaltet werden könnte. Wichtig wäre mir der Austausch quer über die Hierarchie, einerseits die Frage, ob vom Management gesehen werden kann, welches Potenzial da ist, aber auch, dass die Mitarbeiter sehen, welchen Anforderungen das Management ausgesetzt ist. Das Setting ist ein Vehikel, um dafür Raum zu schaffen, ins Gespräch zu kommen, außerhalb der gewohnten Arbeitsgespräche. Dabei ist mir auch Humor ein wichtiges Mittel. Wir werden über die Rollen im Unternehmen reden, darauf schauen, ob es möglich ist den Gedanken Freiraum zu lassen, auch utopische Dinge zuzulassen, die man sich normal verbietet.
Helga Stattler: Wir erleben in Gesprächen mit potenziellen Kunden eine gewisse Skepsis gegenüber kunstbasierten Methoden, obwohl viele auf der Suche nach Innovationen sind.
Isabelle Uhl: Das Bild des Künstlers entspricht nicht der Realität. Die meisten Menschen haben keine Vorstellung davon wie Künstler wirklich leben, wie ihre Werke entstehen, wie der Schaffungsprozess abläuft. Es gibt nicht DEN Künstler oder die Künstlerin, das wird leider auch von der Politik gepflegt, zum Beispiel um zu definieren wer ein/e Künstler_in ist. Wenn Unternehmen und Künstler_in gemeinsam arbeiten würden, käme es bei beiden zu einer Anpassung an die Realität. Es würde verändern wie man Dinge sehen kann, das Leben und das Umfeld bereichern.
Helga Stattler: Was könnte der „Schuhlöffel“ zur Bewusstseinsbildung sein?
Isabelle Uhl
Isabelle Uhl Zum Beispiel ein Kennenlernen bei einem Training zur Teambildung, oder einmal im Jahr eine Klausur, die von KünstlerInnen gestaltet wird. Auch eine Improshow zur Unterhaltung bei Events ist erlaubt, aber sie muss auf das Unternehmen abgestimmt sein. In einem künstlerischen Umfeld sein und selbst künstlerisch arbeiten – das schafft einen anderen Blickwinkel. Das wäre für jeden Menschen empfehlenswert.
Ein gutes Beispiel für eine gute Beziehung zwischen Unternehmern und Künstler_innen ist der Kunstfrischmarkt im 7.Bezirk. Er ist für Beide eine win-win-Situation. Es entsteht ein Netzwerk und die Menschen erfahren, dass Kunst große Kraft hat.
Helga Stattler: Gesellschaftliche Ziele werden erreicht, aber was lernen die Unternehmen und die MitarbeiterInnen bei einem solchen Projekt?
Isabelle Uhl: Zumindest lernen sie nicht nur Werke sondern auch Künstlerinnen und Künstler als Menschen näher kennen. Es ist ein gegenseitiges Wahrnehmen, und zwar auf Augenhöhe und nicht in der klassischen Sponsoring-Haltung.
Helga Stattler: Wann ist der „richtige“ Zeitpunkt für eine künstlerische Intervention?
Isabelle Uhl: Es gibt nie den richtigen Zeitpunkt. Durchaus auch in Krisensituationen und nicht nur als Sahnehäubchen in guten Zeiten. Das ist zwar Ok und wunderbar und wäre auch ein Einstieg um einander kennen zu lernen. Aber gerade bei Problemen, wo man nicht mehr weiter weiß, ist ein Blick von außen sinnvoll, von jemandem der anders denkt. Raus aus dem Tunnelblick!
Was ich mitgenommen habe von Keith Johnstone, dem wunderbaren Lehrer und Erfinder vieler neuer Arten der Improvisation, ist: Eine Geschichte findet nur statt, wenn ich sage „JA und …“. Schon bei „Ja ABER …“ stockt es, es entsteht nichts Gemeinsames. Wir sind gewohnt, erst einmal NEIN zu sagen, auch um uns zu schützen. „JA und …“ kann das Leben sehr bereichern. Jedes Unternehmen könnte daran wachsen, wenn es sich darauf einlässt. Dazu gehört auch das Scheitern, möglichst lustvoll und mit Humor. Da werden Unternehmer protestieren – das kann ich mir nicht leisten! Keith hat dazu gesagt: Spring nicht in einen Swimmingpool, wenn kein Wasser drin ist!
In der Wirtschaft geht es um Zahlen, das ist OK. Wenn man auch noch schafft die Menschen zu sehen, wäre das sehr SINN-voll für alle.
„If I can’t picture it – I can’t understand it“ – dieses Zitat von A. Einstein stellt Bianca Edda Weber an den Beginn ihrer Auseinandersetzung mit dem Thema Kunst und Wirtschaft. Ihr Anliegen ist es, dem Leser eine kompakte, systematische Einführung in die Materie zu ermöglichen. Dabei geht es vor allem darum, die Bedeutung und den Nutzen künstlerischer Interventionen in Unternehmen bewusst zu machen. Weg von dem noch immer weit verbreiteten Gedanken, Kunst im Unternehmen mit Sponsoring oder Behübschung der Vorstandsetagen zu verbinden.
„Benötigen Gesellschaften und ihre Individuen Zeit, um Wahrnehmung und Dasein an die sich stetig wandelnden Bedingungen anzupassen, sind es die Künstler, die stets einen Schritt schneller gehen und aus dem Neuen schöpfen“. Die Autorin schränkt allerdings den Kunstbegriff auf bildende Kunst ein, wodurch vielfach eingesetzte künstlerische Initiativen aus der Welt des Theaters, der Musik und anderen Kunstsparten ausgeblendet werden.
Aus der vorhandenen Literatur leitet B.E.Weber Nutzen und Wirkung von Kunst ab: Erkenntnis- und Wahrnehmungsfunktion als Chance eingefahrene Denk- und Handlungsmuster zu verlassen. „Der Umgang mit Kunst kann als Wahrnehmungstraining verstanden werden“. Die Auseinandersetzung mit Kunstwerken, das Sehen, Interpretieren oder Vergleichen inspiriert zu kreativen, innovativen Prozessen. Aber auch die Imagewirkung für das Unternehmen in der Öffentlichkeit betont sie als wesentliche Funktion.
Kunst wird in ihrer Wirkung nach innen – als Teil der Unternehmenskultur, der Personal- und Organisationsentwicklung analysiert. In ihrer Wirkung nach außen prägt sie die Unternehmenskommunikation. Als integrativen Ansatz bezeichnet sie die Wirkung nach innen und außen. Kunst kann dabei einen Mehrwert in der Strategieentwicklung generieren, indem sie Veränderungen seismographisch antizipiert, komplexe Entwicklungen verständlich macht und zu Grenzüberschreitungen ermutigt.
Die zahlreichen Beispiele werden anhand des Einsatzes von Kunst in den verschiedenen Unternehmensbereichen vorgestellt. So findet man Initiativen für Kunst als integralen Bestandteil der Unternehmenskultur (Würth GesmbH &Co KG), Kunst für die Entwicklung einer innovativen Werbe- und Recruiting Kampagne (Boston Consulting Group), Kunst als Prozessbegleiter zur Erzeugung innovativer Denkansätze (Daimler AG) und Kunst als Katalysator für die Teamentwicklung bei Mergers (Haworth).
Besonders spannend fand ich das Beispiel der Beratungsfirma Droege&Comp.1), bei dem Kunst als Grundlage zur Entwicklung einer Unternehmensstrategie dienen sollte. Das Motto war „Beratung ist Umsetzung nach allen Regeln der Kunst“, was das Unternehmen nicht als Wortspielerei verstanden wissen will, sondern „sieht die Kunst der Beratung darin, die Einheit von Konzeption und Handeln herzustellen. Dafür sind bestimmte Regeln notwendig…… Kunst schöpft aus der Veränderung, dem Neuen und Unbekannten. Zusätzlich ist sie Sinnstifter und inspiriert. …Es mag zwar nicht so erscheinen, dennoch folgt die Kunst und die Entstehung von Kunstwerken Regeln.“ Diese Annahme hat bewirkt, dass zusammen mit dem Lehrstuhl für Kunstwissenschaft Ästhetik und Kunstvermittlung der Universität Witten/Herdecke für das Unternehmen ein Kunstkonzept entwickelt wurde, das heute als Grundlage der Beratungsphilosophie eingesetzt wird.
Das Buch schließt mit einer graphischen Übersicht über den Einsatz von Kunst im Unternehmen. Die Ausführungen folgen dem stringenten Aufbau einer wissenschaftlichen Arbeit mit theoretischen und definitorischen Erläuterungen zu jedem Kapitel. Die Autorin bietet mit dieser Arbeit eine verständliche Orientierung für Einsteiger in die Thematik „Kunst und Wirtschaft“.
Bianca Edda Weber „Kunst im Unternehmen“, Diplomica® Verlag GmbH, Hamburg 2010, ISBN-13: 978-3836690669. Die Zitate wurden dem Buch entnommen.
Das Projekt „Unternehmen! KulturWirtschaft“ am Nordkolleg Rendsburg in Schleswig-Holstein zieht zur Halbzeit Bilanz. Das Team um Projektleiterin Lena Mäusezahl initiiert und begleitetet künstlerische Interventionen in regionalen Unternehmen, agiert also als Intermediär zwischen Kunst und Wirtschaft.
Ohne das Nordkolleg als Mittler wären die künstlerischen Interventionen nicht entstanden, sind sich die Akteure aus Kultur und Wirtschaft einig. In einem ersten Rückblick auf die gemeinsamen Experimente wurde Bilanz gezogen: „Standard-Rezepte und –formate gibt es für die Interventionen nicht. Jede Intervention ist auf eine individuelle Fragestellung ausgerichtet und wird maßgeschneidert. Dabei können sämtliche Kunstsparten und Formate zum Einsatz kommen. Unsere Kernkompetenz liegt darin, ein passendes Matching und eine gute Prozessbegleitung zu gewährleisten“, erklärt Lena Mäusezahl.
Bei Holm & Laue in Westerrönfeld, Spezialisten für die Kälberaufzucht, errichteten die Flensburger Künstlerinnen Dany Heck und Christiane Limper für fünf Wochen ein Künstlerbüro. Von dort aus starteten sie einen humorvollen Befragungsprozess und kreierten in neu durchmischten Mitarbeiterteams eine gemeinsame Wohlfühlzone im Kälber-Iglu.
Bei Haus & Grund Kiel, einem Verein von Haus- und Wohnungseigentümern, machten Hanno Hart und Gabi Kob aus den Mitarbeiterinnen in der Empfangshalle eine Filmcrew, um den Teamgeist aufzufrischen und den Blick auf die eigene Arbeitswelt neu zu erfinden. In vier Monaten entwickelte und produzierte das Team eine hauseigene Serie.
Bei der Getreide AG Rendsburg, einem weltweit agierenden Agrarhandels-Unternehmen, fanden sich die Nachwuchsführungskräfte am Zeichentisch wieder. Dort entwarfen sie mit Tim Eckhorst und Gregor Hinz ein gemeinsames Bild ihres Unternehmens in Form einer Comic-Landkarte.
Die Illustrationen im Bericht von Birthe Dierks wurden von Volker Sponholz während der Veranstaltung „Halbzeit“ als Graphic Recording live gezeichnet.
Die wissenschaftliche Begleiterin, Dr. Anke Strauß vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung erklärte, die Qualität der künstlerischen Interventionen liege darin, Menschen zu öffnen. Das bestätigten auch die teilnehmenden Unternehmen, sowohl die Kommunikation insgesamt als auch besonders konstruktive Kritik sind seit den Projekten verstärkt zu erleben. Dabei gab es anfangs überall etwas Skepsis gegenüber den Künstlern. Die Künstler haben es aber jeweils geschafft, diese Skepsis in eine positive Dynamik zu überführen.
In der nächsten Projektphase wird es darum gehen, die gewonnene Expertise zu dokumentieren und die Erfahrung in die nächsten Projekte einfließen zu lassen. Das Projekt, das noch bis Ende 2015 läuft, wird vom Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, dem Zukunftsprogramm Wirtschaft der EU, dem Bund und dem Land Schleswig-Holstein gefördert.
Unter Improvisation versteht man normalerweise Handeln ohne Vorbereitung. Wenn Sie jemals die Aufführung einer Improtheater-Gruppe gesehen haben (zb Theater im Bahnhof in Graz, das TAG und die English Lovers in Wien), dann haben Sie sicher gemerkt, dass Profis auf der Bühne stehen. Dahinter steckt langes Training. KünstlerInnen bereiten sich darauf vor, dass etwas Unerwartetes passiert und wollen dafür gerüstet sein. Sie nehmen die Tatsache, dass immer etwas geschehen kann, womit sie nicht rechnen, als positives Ereignis an, ja sie hoffen sogar, dass es passieren wird. Je mehr ein Künstler sich darauf vorbereitet zu improvisieren, desto mehr Freiheit hat er, kreativ zu sein und etwas wirklich Neues, Innovatives hervorzubringen. Ein schönes Beispiel dafür zitiere ich in der Buchbesprechung „The Creative Habit“: Wie entsteht ein außergewöhnliches Foto? (unter „Literatur“)
Und noch etwas kann man beimImprovisationstheater erleben und lernen. Je mehr jeder Einzelne die Mitspieler auf der Bühne unterstützt, umso besser wird sie/er selbst und vor allem die Gesamtleistung. Mit Selbstdarstellern scheitern Impro-Szenen. Sehen Sie die Parallele zum Unternehmen? Die Leistung jedes einzelnen Mitarbeiters hängt hochgradig davon ab, wie gut sie/er in das Team passt und welche Unterstützung sie/er durch die anderen Mitglieder des Teams erhält. Das gilt für jeden im Team und damit für das gemeinsame Ergebnis.
Können eine Schauspielerin, ein Industriedesigner und ein Fotograf gemeinsam ein Unternehmen bei der Lösung eines internen Problems weiterbringen? Die Ergebnisse aus Oldenburg zeigen, dass dies auf höchst kreative Weise möglich ist. Das Modell, das sich in Groningen und Oldenburg bereits bewährt hat, heißt 3×3: jeweils 3 MitarbeiterInnen aus 3 Unternehmen entwickeln mit jeweils 3 KünstlerInnen und einem Coach neue Lösungen für konkrete betriebliche Aufgabenstellungen.
Der Inhaber von 3×3 und Projektleiter in Oldenburg, Peer Holthuizen, Δt Projektkunst, betont, dass nur besonders herausfordernde und komplexe Aufgaben übernommen werden. Worum ging es also bisher unter anderem?
Der Wunsch bei der Oldenburgischen Landesbank war, kreative Wege der internen Kommunikation zwischen verschiedenen Abteilungen zu entwickeln. Entstanden ist die Idee für ein Redaktionssystem, das gleichzeitig den internen Informationsfluss optimieren und damit das Betriebsklima fördern kann. Das Team des Unternehmens arbeitete mit einer Bildenden Künstlerin (interdisziplinär), einem Komponisten und einem Bildhauer/Schauspieler, der Coach arbeitet im Bereich Organisationsentwicklung.
Die AWO, ein Unternehmen im Sozialbereich suchte nach Ideen, trotz zunehmendem Fachkräftemangel kompetente MitarbeiterInnen zu gewinnen. Die Künstler kamen aus den Bereichen Schauspiel, Grafik/Werbung und Bühnenbild, der Coach aus der Unternehmensberatung. Ergebnis war ein Film, den die erfahrenen Fachkräfte der AWO selbst gestalteten und eine grafische Mitmach-Aktion für Schülerinnen und Schüler, um ihnen die Berufe der Sozialwirtschaft auf praktische, anschauliche Weise bewusst zu machen.
Die Landessparkasse wollte die Ausbildung optimieren. Ihr Kreativteam bestand aus einer Theater- und Filmpädagogin, einem Musiker und einem (3D-)Computer-Animateur, der Coach war Architekt. Die Lösung bestand u.a. in einem Perspektivcoaching und der persönlichen Begleitung der jungen Bankkaufleute durch Mentoren.
3mal3 TeilnehmerInnen 2011
Im Gespräch mit Ina Lehner-Jenisch von der Wirtschaftsförderung Oldenburg, die das Projekt unterstützt, wunderte ich mich darüber, dass Designer, Fotografen, Architekten, Schauspieler, Philosophen, Komponisten usw. also querbeet Unternehmer aus der Kreativwirtschaft und „freie“ Künstlerinnen und Künstler erfolgreich zusammenarbeiten. Ihre Antwort: „Dieser Mix ist besonders wichtig. Die Künstler gehen ohne Vorinformationen an die Themen heran. Ihre Stärke sind ihre Spontaneität und ihre kreativen Methoden.“
Was macht die Projekte aus Unternehmenssicht so erfolgreich? Die Kreativteams werden sorgfältig und passend zur Aufgabe zusammengestellt und die Projekte unternehmensintern intensiv vorbereitet. Kriterium für die Auswahl der drei MitarbeiterInnen ist zum Beispiel, dass sie nicht nur motiviert sind, sondern auch die Verantwortung für die Umsetzung der gefundenen Lösungen in der Praxis übernehmen können. Ein weiterer Erfolgsfaktor ist „die offene Herangehensweise der Kreativen, ihre ‚erbarmungslose’ Sicht auf die gestellte Aufgabe und die gute Stimmung, die bei allen Teams herrscht“, so der Projektleiter. Die Teams aller Unternehmen tauschen darüber hinaus ihre Erfahrungen bei gemeinsamen Roundtables aus.
Und was haben die Künstler davon, außer ein (meiner Meinung nach noch immer zu bescheidenes) Honorar? Sie erleben, dass ihre Fähigkeiten auch in anderen Bereichen gefragt sind. Zitat Michael Olsen, bildender und darstellender Künstler: „Ich habe deutlich gespürt, dass ich als Quergeist, unbequemer Denker und Finger-in-Wunden-leger wirklich ernst genommen werde.“
Da der Erfahrungsaustausch ein wesentliches Element des Erfolgs dieser neuen Form von Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft, Kunst und Kreativwirtschaft ist, treffen sich die Akteure aus Groningen, Oldenburg und Bremen am 16. Mai in Bremen um voneinander zu lernen.
Im Juni startet in Oldenburg die dritte Runde dieses Modells. Die Unternehmen haben sich bereits beworben, die Teams werden jetzt zusammengestellt.
Ein Erfolgsmodell? KünstlerInnen und Kreative, die sich gerne engagieren, kennen wir. Unternehmen haben sicher ungelöste Probleme! Was meinen Sie dazu?
Bei der Veranstaltung des Instituts für Kunst und Wirtschaft im Uhrenmuseum fand in der Diskussion die Wortmeldung von Jörg Schielin, dem Leiter der SPAR Akademie Wien, besondere Aufmerksamkeit. Es ging gerade um die Motive von Unternehmen, Künstler für die Personalentwicklung einzusetzen. Benutzt die „böse“ Wirtschaft die Kunst bloß? Geht es darum, die MitarbeiterInnen so „herzurichten“ wie man sie braucht?
Herr Schielin widersprach leidenschaftlich: „Wir machen das nicht um Defizite auszubessern. Unser Schulsystem fokussiert leider auf das, was die Schülerinnen und Schüler nicht können. Wir wollen diesen jungen Menschen zeigen was sie können, wozu sie fähig sind, und sie genau in diesen Fähigkeiten weiter entwickeln. Mit Kunst zeigen wir ihnen meist eine Welt, die sie nicht kennen. Wir besuchen mit den Lehrlingen zum Beispiel auch Museen und kulturelle Veranstaltungen. 50 % der Jugendlichen waren noch nie in einem Theater – das war ein Aha-Erlebnis für uns. Unserer Meinung gehört das zur ganzheitlichen Bildung, doch leider wird der Schulunterricht in kreativen Fächern permanent gekürzt.“
„Kulturpflege – Multikulturelles Lernen“ gibt es in der SPAR Akademie Wien schon lange. Hier wird Sozialkompetenz, Zivilcourage und Toleranz vermittelt. Im September 2010 entwickelte Jörg Schielin mit Max Friedrichs vom Verein Schule für das Leben die Idee für ein Experiment, das wissenschaftlich begleitet wurde. 40 Lehrlinge nahmen neben ihrer Ausbildung an einem Theaterprojekt teil, die Kontrollgruppe mit ebenfalls 40 Lehrlingen durchlief nur die traditionelle Ausbildung.
Fotos:SparAkademie/Lukas Beck
Im Juni 2011 lag die Auswertung vor. Die Ergebnisse waren eindeutig. Das Sozialverhalten hatte sich verbessert, Lehrlinge, die Theater gespielt hatten, agierten selbstsicherer, zeigten mehr beruflichen Ehrgeiz und Zufriedenheit. Jörg Schielin: „Der Nutzen ist zum Teil sofort spürbar, bei anderen dauert es ein wenig, aber spurlos geht es an niemandem vorbei, bei jedem ist ein Persönlichkeitsschub spürbar.“
Derzeit werden Module konzipiert, die als fixer Bestandteil der Lehrlingsausbildung implementiert werden. Ab Herbst gibt es für alle Lehrlinge des 1. Jahrgangs Workshops mit KünstlerInnen über Wahrnehmung, Sprechen, Improvisation, Musik & Rhythmus sowie einen Theaterworkshop.
Auf meine Frage, ob Kunst auch im Training für die Führungskräfte eingesetzt wird, bekomme ich noch ein „nein“, allerdings meint Jörg Schielin, hier behutsam vorgehen zu müssen, es sei doch etwas Exotisches. Allerdings ist er sich sicher „dass nur wenige Führungskräfte sich getraut hätten sich auf die Bühne vor 450 Leuten zu stellen und Theater zu spielen.“
Unsere Erfahrung, welchen Nutzen Kunst in Organisationen haben kann, wird in der Disseration von Claudia Schnugg von bestätigt, die für ihre Arbeit an der Johannes Kepler Universität Linz, Institut für Organisation, 70 Fallbeispiele analysierte. Im Kapitel „Wirkungen“ reiht sie die Aussagen nach der Häufigkeit der Nennungen:
Anzahl Wirkung bei Unternehmen und MitarbeiterInnen
19 Unternehmenskommunikation wird verbessert
10 Diskussionskultur und kreativer Dialog wird angeregt
9 Imageaufbau des Unternehmens
9 Selbstreflexion wird gefördert
9 Routinen werden hinterfragt
9 Corporate Identity wird nach innen und außen kommuniziert
8 Beiträge zur Organisationskulturentwicklung
8 Persönlichkeitsentwicklung wird gefördert
8 Wahrnehmung wird geschärft und reflektiert
7 Atmosphäre der Offenheit und Kreativität wird gestaltet
Zusammengefasst gab es die größte Zahl an Nennungen sowohl auf der individuellen als auch der Organisationsebene bei Persönlichkeits- und Kompetenzentwicklung, gefolgt von Sozialem Verhalten, Wirkung auf Marketing und PR und Unternehmenserfolg. Bei der persönlichen Charakter- und Kompetenzentwicklung wurden u.a. Selbsterfahrung, eigene Meinung vertreten lernen, Verhaltensänderung durch Selbstreflexion, Denkblockaden lösen, Wahrnehmung schärfen, Lernen genau hinzuhören und hinzusehen, offener gegenüber Neuem werden, Perspektiven anderer einnehmen, eigeninitiativ Handeln, Kreativität steigern und Teamentwicklung genannt.
Beim Input zur Organisationsentwicklung durch Kunst und KünstlerInnen waren es Statements wie Identifikation mit Problemen, Abläufe erkennen, externe Sichtweise als Beitrag zur OE, künstlerischer Prozess als Modell für Arbeitsabläufe, Arbeitsfreude und Motivation steigern, positives Arbeitsklima gestalten.
Das kommt mir bekannt vor. Das gleiche Legitimationsproblem haben Trainings und Beratungen. Wie messen Sie den Erfolg eines dreitägigen Führungskräftetrainings? Das Bedürfnis den Nutzen von Investitionen in Personal- und Organisationsentwicklung quantitativ zu messen, gibt es seit langem. Auch bei den Berichten über Projekte mit KünstlerInnen finden sich Angaben wie zb 20% Steigerung des Umsatzes, oder 30 % Reduktion der Fluktuation. Nachdem die meisten Change-Projekte über einen längeren Zeitraum laufen und gleichzeitig andere Maßnahmen im Unternehmen den Erfolg beeinflussen, stehe ich solchen Angaben eher skeptisch gegenüber. Viel mehr überzeugen mich die positiven Schilderungen von Menschen, die künstlerische Interventionen selbst erlebt haben. Daraus geht hervor, dass sie
– Selbstvertrauen und Freude an der Arbeit gewonnen haben
– mit anderen offener und positiver gestimmt zusammenarbeiten
– durch Experimente neues Wissen in einer neuen Art entwickeln konnten
– verborgene Fähigkeiten in sich entdeckten
– Mut gefunden haben Neues auszuprobieren woran sie bisher überhaupt nicht dachten
– von anderen nun als eine vielseitige Persönlichkeit gesehen werden
Die Wirkung spiegelt sich also in einer persönlichen Entwicklung und der Mitarbeiterzufriedenheit. In den Erzählungen wird immer wieder von einem Energieschub berichtet, der sich positiv auf Teamarbeit, auf die gesamte Unternehmenskultur und damit auch auf die Ziele der Organisation auswirkte. Die direkte und erfrischende Herangehensweise der KünstlerInnen an die Situationen, ihre Offenheit und so ganz andere Art der Kommunikation sprachen alle Sinne an und halfen, die Trägheit eingespielter Routinen zu überwinden.
Mitarbeiterinnen erfahren eine neue Sicht auf ihren Alltag
entdecken neue Lösungen und Möglichkeiten zu Handeln
ein gemeinsam gestaltetes Kunstwerk inspiriert auf besondere Weise die Teambildung
Das gemeinsame Kunstwerk von CMS Hasche Sigle ist eine Installation im Foyer der Kanzlei, eine „Bibliothek“, nicht aus Büchern sondern aus Casani Holzkästen, die von den 120 AnwältInnen und MitarbeiterInnen der Sozietät gestaltet wurden. Ausgangspunkt: das Thema „Recht“ und seine Auslegung im Interesse der Klienten, was auch zu internen Konflikten führen kann.
Gestartet wird mit einem Fußweg über Feld und Flur, 2 km zu einem Fabriksgebäude, der Location des Workshops. Unterwegs gilt es eine zusätzliche Last mitzuschleppen, der Künstler hat einen Hügel Feldsteine aufgeschlichtet. Eine Metapher im Handgepäck? Allein das Tragen der Steine bewirkt, sich mit sich selbst und seinem Tun auseinander zu setzen. Die Steine sind dann das Arbeitsmaterial für erste kreative Fingerübungen.
So für künstlerisches Arbeiten ermutigt, werden die Holzkästen an der Vorderseite zum Thema „Recht“ bemalt und beschrieben. Jeder schreibt persönliche Texte und Gedanken auf Büttenpapier, das im Inneren montiert wird.
Die Bibliothek lädt nun täglich dazu ein, sich morgens einen von einem Kollegen, einer Kollegin gestalteten Bildkasten als Kunstwerk für einen Tag in das eigene Büro zu nehmen, die Notizen zu lesen, zu ergänzen und damit die Kommunikation über das Thema ständig im Fluss zu halten.
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