MassivKreativ: Kultur fördert Gesellschaft und Wirtschaft

Über die anregenden Interviews von Antje Hinz auf der Seite www.impulse.de habe ich ja schon berichtet. Inzwischen gibt es ein spannendes neues Projekt der Medienproduzentin, Kulturjournalistin und Verlegerin: das Medienportal für Kultur und Kreativwirtschaft MassivKreativ.

In Online-Dossiers und Interviews stellt Antje Hinz inspirierende Projekte, Orte und Akteure der Kunst- und Kreativwirtschaft vor. Im Fokus stehen kreative Projekte und leidenschaftliche Menschen – Geschichten, die zur Nachahmung animieren. Ich habe Antje Hinz bei der Veranstaltung „Unternehmen! KulturWirtschaft“ im Nordkolleg Rendsburg persönlich kennen gelernt. Ihre Leidenschaft für das Thema spürte ich im Gespräch sofort und wir teilen die gleiche Mission.

© Antje Hinz
© Antje Hinz

Antje Hinz: „Kunst und Kultur gelten in der Öffentlichkeit noch zu oft als schmückendes Beiwerk. Dabei bieten sie doppelten Mehrwert als Wirtschaftsgut UND Sinnträger. Kreativschaffende gestalten die Gesellschaft mit, sind Trendsetter und Innovationstreiber. Künstler und Kreative sind Querdenker und wagen Perspektivwechsel. Wichtiges Potenzial, das auch die Wirtschaft nutzen sollte, die Voraussetzung, damit Gewohntes hinterfragt werden, Neues und Nachhaltiges entstehen kann.“

Auf dem neuen Portal MassivKreativ gibt es derzeit folgende Themenbereiche, jeweils mit spannenden Praxisbeispielen:

Künstlerische Interventionen
Praxisbeispiele aus Unternehmen und Organisationen, in denen Künstler Prozesse erforschten, Routinen hinterfragten, Perspektiven wechselten, mit künstlerischen Aktionen „intervenierten“ und zu Veränderungen und Innovationen anregten.

KreativQuasare
Leuchtturm-Projekte strahlen wie Quasare. Innovative Aktionen von kreativen Köpfen, die beispielhaft, inspirierend und wegweisend sind, sollen begeistern, Mut machen, Sinn stiften und zu eigenen kreativen Projekten anregen.

KreativQuartiere
Häuser und Orte, die Kreativität und Inspiration beheimaten, wie zum Beispiel das Unperfekthaus in Essen, die Rolle von Künstlern und Kreativen in der Entwicklung von Städten und Regionen.

KreativQuoten
Zahlen und Fakten über die Kultur- und Kreativwirtschaft (KKW), die in Europa als Zukunftsbranche, Wachstumsmarkt und Innovationsmotor für die Gesellschaft gilt.

KreativQuickie
Antje Hinze motiviert ihre Gesprächspartner sich 2-3 Minuten kreativ auszudrücken, mit Kneten, Zeichnen oder Schreiben. Die Film-Quickies werden demnächst online sein.

KreativTipps
Handlungstipps, Medien- und Buchempfehlungen

 

Link-Empfehlung: Medienportal MassivKreativ:  www.massivkreativ.de

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Eine Geschichte entsteht nur wenn du „JA und …“ sagst

Isabelle Uhl.
Isabelle Uhl

Interview mit der Künstlerin und Kunstmanagerin Isabelle Uhl, Mitglied im Künstler_innen-Pool des Instituts für Kunst und Wirtschaft

Helga Stattler:
Ich habe dich bei einem Projekt als Schauspielerin und Trainerin kennen gelernt. Wann hast du deine künstlerische Ader entdeckt?

Isabelle Uhl:
Das war kein gerader Weg. Ich komme aus einem unkünstlerischen Umfeld. Dass ich schon sehr früh zu tanzen begann, habe ich selbst initiiert, zunächst Ballett, dann zeitgenössischer Tanz. Bei der Entscheidung für ein Studium an der Universität des Saarlandes entschied ich mich aber zunächst für Informationswissenschaften und Germanistik. In Saarbrücken gab‘s dann auch eine freie Theatergruppe, dort spielte ich. Dazu verdiente etwas Geld mit Statisterie am Staatstheater Saarbrücken und bekam dann dort auch kleinere Rollen. Zudem hab ich beim Saarländischen Rundfunk und Fernsehen gejobbt und übernahm Regieassistenzen. Nach dem Studienabschluss entschied ich mich (doch) noch Schauspiel zu studieren, um das Handwerk zu erlernen. Deshalb ging ich 1996 nach Wien und besuchte drei Jahre die Schauspielschule Krauss. 1997 wurde in Wien das „urtheater“ gegründet, das 1999 in der Drachengasse mit Improtheater bekannt wurde. Da war ich von Anfang an dabei.

Helga Stattler:
1999 entstanden ja einige Institutionen, in denen sich Kunst mit Gesellschaft und Arbeitswelt auseinandersetzt: Wolfgang Kainz gründete das „Business Theater Wien“ und Walter Kosar gemeinsam mit mir „the company stage“, Unternehmenstheater. Die ersten Theaterworkshops für Führungskräfte wurden von innovativen Personalentwicklern eingesetzt.

Isabelle Uhl:
Im urtheater arbeiteten auch einige Kolleg_innen mit Theatermethoden für Teamtrainings, bei Workshops und Firmenveranstaltungen. Wir hatten bereits 20 Mitglieder, meine Rolle war damals Produktionsleitung und PR bei Theaterproduktionen des urtheater. Parallel war ich immer auch als freie Schauspielerin aktiv, kurz auch mal fix im Burgtheater. In Wien war die Zeit der Theaterreform und wir reichten damals ein gemeinsames Arbeitskonzept mit zwei anderen freien Gruppen ein. Gleichzeitig war bei mir auch die Zeit für Familie und drei Kinder. Wir bekamen als Leitungsteam das TAG (Theater an der Gumpendorferstrasse) und ich besann mich auf meine Stärken, nämlich beide Seiten zu leben, die künstlerischen Fähigkeiten und die organisatorischen. So arbeite ich im TAG als Leiterin der Dramaturgie und Assistenz der künstlerischen Leitung.

Helga Stattler:
Wie schaut bei dir die Dramaturgie einer künstlerischen Intervention aus? Wie würdest du vorgehen?

Isabelle Uhl:
Bei einer künstlerischen Intervention würde ich im Unternehmen zunächst das Gespräch mit den Menschen suchen, um herauszufinden: Wie sind sie drauf, welche Teams gibt es, welche Strukturen? Und: Wie sind sie aufgestellt, wie denken sie, hat das Potenzial genügend Raum, um sich zu entfalten? Wahrscheinlich nicht, weil es kein perfektes Umfeld gibt. Dann würde ich ein Setting überlegen, wie dieses Potenzial entfaltet werden könnte. Wichtig wäre mir der Austausch quer über die Hierarchie, einerseits die Frage, ob vom Management gesehen werden kann, welches Potenzial da ist, aber auch, dass die Mitarbeiter sehen, welchen Anforderungen das Management ausgesetzt ist. Das Setting ist ein Vehikel, um dafür Raum zu schaffen, ins Gespräch zu kommen, außerhalb der gewohnten Arbeitsgespräche. Dabei ist mir auch Humor ein wichtiges Mittel. Wir werden über die Rollen im Unternehmen reden, darauf schauen, ob es möglich ist den Gedanken Freiraum zu lassen, auch utopische Dinge zuzulassen, die man sich normal verbietet.

Helga Stattler:
Wir erleben in Gesprächen mit potenziellen Kunden eine gewisse Skepsis gegenüber kunstbasierten Methoden, obwohl viele auf der Suche nach Innovationen sind.

Isabelle Uhl:
Das Bild des Künstlers entspricht nicht der Realität. Die meisten Menschen haben keine Vorstellung davon wie Künstler wirklich leben, wie ihre Werke entstehen, wie der Schaffungsprozess abläuft. Es gibt nicht DEN Künstler oder die Künstlerin, das wird leider auch von der Politik gepflegt, zum Beispiel um zu definieren wer ein/e Künstler_in ist. Wenn Unternehmen und Künstler_in gemeinsam arbeiten würden, käme es bei beiden zu einer Anpassung an die Realität. Es würde verändern wie man Dinge sehen kann, das Leben und das Umfeld bereichern.

Helga Stattler:
Was könnte der „Schuhlöffel“ zur Bewusstseinsbildung sein?

Isabelle Uhl
Isabelle Uhl

Isabelle Uhl
Zum Beispiel ein Kennenlernen bei einem Training zur Teambildung, oder einmal im Jahr eine Klausur, die von KünstlerInnen gestaltet wird. Auch eine Improshow zur Unterhaltung bei Events ist erlaubt, aber sie muss auf das Unternehmen abgestimmt sein. In einem künstlerischen Umfeld sein und selbst künstlerisch arbeiten – das schafft einen anderen Blickwinkel. Das wäre für jeden Menschen empfehlenswert.

Ein gutes Beispiel für eine gute Beziehung zwischen Unternehmern und Künstler_innen ist der Kunstfrischmarkt im 7.Bezirk. Er ist für Beide eine win-win-Situation. Es entsteht ein Netzwerk und die Menschen erfahren, dass Kunst große Kraft hat.

Helga Stattler:
Gesellschaftliche Ziele werden erreicht, aber was lernen die Unternehmen und die MitarbeiterInnen bei einem solchen Projekt?

Isabelle Uhl:
Zumindest lernen sie nicht nur Werke sondern auch Künstlerinnen und Künstler als Menschen näher kennen. Es ist ein gegenseitiges Wahrnehmen, und zwar auf Augenhöhe und nicht in der klassischen Sponsoring-Haltung.

Helga Stattler:
Wann ist der „richtige“ Zeitpunkt für eine künstlerische Intervention?

Isabelle Uhl:
Es gibt nie den richtigen Zeitpunkt. Durchaus auch in Krisensituationen und nicht nur als Sahnehäubchen in guten Zeiten. Das ist zwar Ok und wunderbar und wäre auch ein Einstieg um einander kennen zu lernen. Aber gerade bei Problemen, wo man nicht mehr weiter weiß, ist ein Blick von außen sinnvoll, von jemandem der anders denkt. Raus aus dem Tunnelblick!

Was ich mitgenommen habe von Keith Johnstone, dem wunderbaren Lehrer und Erfinder vieler neuer Arten der Improvisation, ist: Eine Geschichte findet nur statt, wenn ich sage „JA und …“. Schon bei „Ja ABER …“ stockt es, es entsteht nichts Gemeinsames. Wir sind gewohnt, erst einmal NEIN zu sagen, auch um uns zu schützen. „JA und …“ kann das Leben sehr bereichern. Jedes Unternehmen könnte daran wachsen, wenn es sich darauf einlässt. Dazu gehört auch das Scheitern, möglichst lustvoll und mit Humor. Da werden Unternehmer protestieren – das kann ich mir nicht leisten! Keith hat dazu gesagt: Spring nicht in einen Swimmingpool, wenn kein Wasser drin ist!

In der Wirtschaft geht es um Zahlen, das ist OK. Wenn man auch noch schafft die Menschen zu sehen, wäre das sehr SINN-voll für alle.

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Musenkuss für die Wirtschaft

© David Payr
© David Payr

 

 

 

 

„Musenkuss für die Wirtschaft“ titelt der Bestseller die Ausgabe 11/12_2014 mit dem Untertitel „Was Unternehmen von der Kunst lernen können“. Die Titelgeschichte ist ein Interview mit Lilli Hollein (Vienna Design Week) und Anja Hasenlechner (hasenlechner art-consult). Auch sie sind Vermittler zwischen Kunst und Wirtschaft. Beide plädieren dafür, „Kunstschaffende als visionäre Vordenker wahrzunehmen, weil sie andere Zugänge zu den relevanten Themen haben“ (Hollein).

 

Auf den Seiten 26 – 29 geht es dann um die Künstlerische Intervention. Die Journalistin Doris Neubauer hat Karin Wolf und mich interviewt und bringt es mit folgendem Zitat auf den Punkt: „Künstler bringen ihre künstlerischen Fähigkeiten, Sichtweisen und besonderen Arbeitsprozesse ein. Sie kommen aus einer anderen Welt, sie kennen die Sprache, die Regeln und Codes von organisationen nicht. Das ist ihr Vorteil. Sie sind neugierig, nehmen differenziert war, sie hinterfragen konsequent, reflektieren, was sie erleben, suchen neue Zusammenhänge.“

Erich Wiesmüller _Inner Circle
Erich Wiesmüller _Inner Circle

Als Praxisbeispiel schildert sie die Arbeit des Künstlers Erich Wiesmüller für die Consultants Inner Circle1). Susanne Bixner, Partnerin und Leiterin des Büros berichtete ihr, dass der Künstler völlig freie Hand hatte und es für alle spannend war zu sehen, wie er aufgrund seiner Wahrnehmung die Organisation interpretierte: „Wiesmüller hat nicht nur unser Tätigkeitsspektrum sondern speziell die Stimmung hier in unserem Büro erspürt und wiedergegeben.“

Interessant dann auch der Beitrag über Kreativität und das Brechen bestehender Regeln. Denn „Neues entsteht nur, indem Altes infrage gestellt wird“ sowie das Interview mit dem Bürgermeister von Reykjavik, der viele Kreative ins Rathaus brachte, um die Stadt aus einer fundamentalen Krise zu führen.

1) Erich Wiesmüller ist Mitglied in unserem Künstlerpool, hier das Interview mit ihm.

Link zum Heft download

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Raumgeboren: Kunst findet nicht nur im Museum statt

Wiesmüller
Erich Wiesmüller

Besuch im Atelier des Bildenden Künstlers Erich Wiesmüller

Einen Künstler im seinem Atelier zu besuchen ist ein besonderes Erlebnis. Im Rahmen des Atelierzyklus von Karin Kirste hatte ich bereits im März 2012 in illustrer Runde Gelegenheit das Atelier des Künstlers Erich Wiesmüller zu erforschen. Jeder Raum bot neue Möglichkeiten neugierig hinter die Kulissen zu schauen: Werke mitten im Arbeitsprozess, hunderte seiner berühmten Tagescollagen, minutiöse Klebebilder, Übermalungen, dann das Archiv an Materialien in Schachteln bis zur Decke, penibel geordnet, große und winzige Räume für Gespräche und die Bar für Kaffee und Dialog.

Für das Blog-Interview traf ich Erich Wiesmüller im November 2013 wieder in seinem Atelier – wieder mit völlig neuen Eindrücken und aktuellen Informationen. Gerade war sein „auftragsbuch“ in Berlin erschienen, ein „Kunstprojekt für raumgestalterisches Schaffen“. Es ist kein Präsentationskatalog sondern ein Kunstbuch. Jedes Exemplar ein Unikat, weil im Fall eines Auftrags darin das eigene Projekt dokumentiert wird. Sie können in diesem „auftragsbuch“  blättern, finden darin Ausschnitte aus seinen Arbeiten und spannende Texte. Um seine Arbeitsweise bei küstlerischen Interventionen zu verstehen, empfehle ich die Seite „Der Künstler greift ein“.

zum mitnehmen
Guerilla-Marketing © Erich Wiesmüller

Sind Sie auf der letzten Seite angelangt? Dann staunen Sie vielleicht, dass aus dem „auftragsbuch“ ein „wanderbuch“ wird.  Es startet nach dem System des Guerilla-Marketing im kunstaffinen Bereich, wird auf- und be-griffen und wandert und wandert, um letztlich bei einem Unternehmen mit der Tür ins Haus zu fallen und zu einer Intervention zu führen. Was braucht es dazu seitens des Unternehmens? Eine entspannte Atmosphäre, also keine gröberen Probleme, damit eine solche Intervention, die einen Bruch mit dem Gewohnten bedeutet, möglich ist. Damit die Menschen in der Organisation sich mit dem Werk auseinandersetzen und reflektieren können, welche Impulse, welche Irritation es auslöst, welchen Sinn es erst dadurch macht. Und möglichst leere Wände. Denn es sind Wandarbeiten, die in ganz engem Kontakt mit dem Unternehmen entstehen.

Inner.Circle © Erich Wiesmüller
Inner.Circle © Erich Wiesmüller

Ein Beispiel dafür ist das Projekt  Inner.Circle  für das Wiener Büro der internationalen Beratung Inner Circle Consultants, die im Bereich Executive Search, Board Consulting, Audits und Coaching tätig ist. Wenn Sie das Kunstwerk, das für diese Organisation von Erich Wiesmüller geschaffen wurde, nah heranzoomen und die Headlines und Satzfragmente lesen, dann merken Sie, dass die Branchenkompetenz des Unternehmens im Finanzbereich liegt.

„Ich habe dem Künstler völlig frei Hand gelassen und es war spannend zu sehen, wie er auf grund seiner Wahrnehmung unsere Organisation interpretiert. Was entstanden ist, das ist authentisch, das spürt man. Wiesmüller hat nicht nur unser Tätigkeitsspektrum als internationale Beratungsorganisation sondern speziell die Stimmung hier in unserem Wiener Büro erspürt und wiedergegeben.“ sagt Susanne Bixner, Partnerin und Leiterin des Wiener Büros von Inner Circle Consultants. „Das Feedback unserer Kunden ist sehr positiv. Sie sind überrascht und beeindruckt, wie unsere Art zu arbeiten einen künstlerischen Ausdruck findet, zum Beispiel dass es uns wichtig ist über den Tellerrand zu schauen. Das Kunstwerk zieht die Aufmerksamkeit auf sich, man findet immer wieder etwas Neues in der Vielfalt der Schnipsel aus Texten, Köpfen, Geldscheinen. Auch ich und mein Team haben noch nicht alles gesehen was dem Künstler aufgefallen ist. So sind wir motiviert immer wieder Details zu entdecken und uns darüber auszutauschen.“

Wertschätzung für die Mitarbeiter, Ressourcen und der Umwelt mit Achtsamkeit begegnen, sind dem Künstler wichtig. Er erlebt oft Mitarbeiter, die „durchgebraint“ sind, die ihre eigenen Stärken nicht mehr sehen, das eigene Potential nicht ausschöpfen. Deshalb lädt er sie ein darauf zu schauen, was in ihnen schon angelegt ist, ihre ureigensten Stärken aber auch Schwächen wieder zu entdecken  – und damit bewusst umzugehen.

Nach einem unserer Workshops für KünstlerInnen wurde Erich Wiesmüller Mitglied des KünstlerInnen-Pools des Instituts für Kunst und Wirtschaft. Im „auftragsbuch“ findet sich übrigens u.a. ein Zitat aus diesem Workshop: „Künstlerinnen und Künstler verfügen über besonders ausgeprägte Fähigkeiten der Wahrnehmung, Interpretation und Transformation. Der Künstler bringt seine Sichtweise ein, stellt in Frage, abstrahiert, verdichtet, löst und verknüpft neu.“ So entsteht eine Kunst-Intervention, die auf- und anregt, die stört und provoziert. Genau das ist ihr Zweck.

Informationen: www.raumgeboren.at

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Kunst ist Kommunikation

Interview mit dem Künstler Klaus Ludwig Kerstinger, Mitglied im Künstler-Pool des Instituts für Kunst und Wirtschaft

Helga Stattler:
Im Kulturmanagement.net stellst Du Dich als „Künstler und Manager“ vor und schreibst gleich im ersten Absatz, dass Du Dir zu Beginn deiner künstlerischen Tätigkeit nie hättest vorstellen können, Dich so zu titulieren. Wieso hat sich das verändert?

Klaus Ludwig Kerstinger
Klaus Ludwig Kerstinger

Klaus Ludwig Kerstinger:
Nach dem Studium an der Kunstakademie Wien arbeitete ich als freischaffender Künstler und widmete mich ganz dem Künstlerdasein. Nebst meiner künstlerischen Arbeit suchte ich im Laufe der Zeit eine weitere Reibung. Mich interessierte der Kunstbetrieb an sich, ich wollte etwas bewegen und so gründete und leitete ich mit zwei Partnern die Galerie art2net für junge Nachwuchskünstler. Wir hatten ein gutes Händchen bei der Auswahl der Künstler. Was mich damals und heute noch interessiert ist die andere Seite des Kulturbetriebs zu sehen, also wie arbeiten und organisieren Institutionen Projekte. Bei meinem Postgraduate Studium Kultur & Organisation habe ich das Handwerk studiert. Als Künstler, als Ich-AG, muss man auch solche Fähigkeiten entwickeln, vielleicht im kleineren Stil, aber das Grundprinzip ist bei größeren Projekten das gleiche.
Diese Erfahrungen sind für meine künstlerische Arbeit sehr wichtig. Aktiver Künstler zu sein und als Kulturmanager im Kulturbetrieb zu stehen ist für mich sehr prägend und wesentlich. Durch diese beiden Welten bekomme ich geistigen Austausch und eine Reibung, durch die ich mich weiterentwickeln kann.

Helga Stattler:
Du hast am Institut für Kulturkonzepte und der Universität Wien eine Ausbildung zum Kulturmanager absolviert, wo kannst Du dieses Knowhow anwenden?

Klaus Ludwig Kerstinger:
Da habe ich in erster Linie gelernt alles bis zum Ende durchzudenken, also die Idee auf das Papier zu bringen und dann in die Realität umzusetzen. Das nützt mir sowohl als Manager meiner eigenen Person als auch für meine Tätigkeit als Kulturmanager. Profitiert habe ich auch durch die TeilnehmerInnen aus verschiedenen Sparten. Mit etlichen Studienkolleginnen und -kollegen bin ich noch in Kontakt. Das ermöglicht mir interessante Einblicke in Kulturorganisationen und deren Tätigkeitsfelder und natürlich hat sich dadurch auch ein wesentliches und auch nützliches Netzwerk entwickelt.

Helga Stattler:
Derzeit bist Du in „beiden Welten“ aktiv.

Klaus Ludwig Kerstinger:
Als Kulturmanager bei der Kunst- und Kommunikationsagentur art : phalanx bekomme ich viel Energie durch die Auseinandersetzung mit der Wirtschaft, das macht Freude und Spaß. Und das wirkt sich wieder auf die künstlerische Arbeit aus. Kunst ist Kommunikation. Und ein nicht unwesentlicher Aspekt in der Kunst ist der Bezug zur Wirtschaft.

Helga Stattler:
Wie kann sich die Wirtschaft der Kunst nähern?

Klaus Ludwig Kerstinger:
Zunächst geht es als bildender Künstler um Produkte und Werke. Unternehmen besuchen Ausstellungen, tätigen Ankäufe oder haben eine hauseigene Galerie. Das trägt zur Bewusstseinsbildung im Unternehmen bei. Kunst ist ein möglicher Weg offener zu werden, sich für etwas abseits der Arbeit zu interessieren oder auch sich mit der eigene Firma zu identifizieren. Ein wesentlicher Schritt ist dann vom Kunstwerk zur Person des Künstlers, der Künstlerin. Wie denkt diese Person, wie handelt sie, welche Überlegungen und Aussagen sind für die KünstlerInnen wichtig. KünstlerInnen kennen zu lernen heißt, einen neuen Zugang zur Kunst zu gewinnen, vielleicht auch Irritationen erleben zu dürfen.
Künstlerischer Ausgangspunkt sind Themen, die bewegen. Entweder gesellschaftspolitische Fragen, die zum Nachdenken anregen oder konkrete Themen in einem Unternehmen. Mit diesem Potential setzt sich die Künstlerin, der Künstler dann auseinander. Das ist der Nährboden für Künstler. Kunst zeigt auf, sie ist ein Spiegel, ein Filter, durch die jeweilige Kunst-Sprache. Es ist eine emotionalere Ausdrucksform, Räume werden breiter. Man erwartet sich das auch von einem Künstler, das ist ein Stück künstlerische Freiheit.

Helga Stattler:
Welche Voraussetzungen sind Deiner Erfahrung nach fürs Gelingen eines solchen Projekts maßgeblich?

Klaus Ludwig Kerstinger:
Neugierde, Offenheit und Mut für Veränderung. Natürlich muss die Firmenphilosophie passen. Der Künstler hat ein Grundkonzept aus der künstlerischen Tätigkeit, dem eigenen Spektrum. Nun ist die Firma das Medium und man nähert sich ihr, screent das Unternehmen und reagiert dann auf das was man sieht, hört, spürt  – in der eigenen künstlerischen Sprache, im eigenen „Stil“, der eigenen Ausdrucksform.
KünstlerInnen sind immer Beobachter. Sie filtern  und reagieren dann auf „Erlebtes“. So entstehen neue Visionen. Genau mit diesen Ansätzen kann etwas bewegt und bewirkt werden. Das ist, so denke ich, auch die Erwartungshaltung im Unternehmen, ist aber auch mit gewissen und nicht programmierten Spannungsmomenten verbunden.

Helga Stattler:
Was kann sich ein Unternehmen von der Zusammenarbeit mit Künstlern erwarten?

Klaus Ludwig Kerstinger:
Einen kreativer Ansatz und eine unkonventionelle Lösung. Zumeist öffnet sich eine Tür und eine kreative Idee und etwas wirklich Neues ist da! Letztlich ist das Ziel eine Win-win-Situation. Das Unternehmen profitiert von kreativen Denkansätzen und die Künstlerin, der Künstler profitiert für die eigene Kunst.

Informationen zum Künstler

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Im Gespräch mit KünstlerInnen: Gerhard Flekatsch

Helga Stattler:
Du bist Mitglied eines Netzwerks, das sich den Diskurs zwischen Wirtschaft, Wissenschaft und Kunst als Aufgabe gestellt hat. Was wollt ihr damit erreichen?

Gerhard Flekatsch:
Ohne schöpferische Tätigkeit landet unsere Gesellschaft in der Sackgasse. Die Einbeziehung von Kreativarbeit in andere Disziplinen ist für eine positive Entwicklung sehr wichtig, das beweisen etliche Studien. Das gilt für die Wirtschaft genauso wie für die Wissenschaften. Zusammenhänge zwischen unterschiedlichen Systemen müssen erkannt und aufgezeigt, Denkstrukturen verändert, neue Impulse gesetzt werden. Dazu können Künstlerinnen und Künstler beitragen und es ist eigentlich erstaunlich, dass ihre Fähigkeiten noch nicht intensiv genutzt werden. Sie haben die Fähigkeit zu erkennen was andere nicht sehen, sie finden Muster, sie interpretieren neu und ermöglichen eine erweiterte Perspektive.

Helga Stattler:
Was kann eine Künstlerin, ein Künstler in der Wirtschaft bewirken?

Gerhard Flekatsch:
Zunächst müssen wir uns klarmachen, dass Kunst heute einer der ganz wenigen Bereiche ist, in denen es nicht um die Erfüllung von Zielvorgaben geht, sondern um eine ganzheitliche Wahrnehmung und deren Transformation in universelle Ausdrucksformen. Für ein erfolgreiches Projekt braucht es den Diskurs zwischen Wirtschaft und Kunst auf Augenhöhe. Das gemeinsame Gespräch, in dem Fragen gestellt werden die uns gleichermaßen interessieren und die zu Themen führen, die uns alle betreffen. Wenn es Gemeinsamkeiten gibt, dann können daraus konkrete Projekte entstehen. Wesentlich ist dabei, dass die Möglichkeiten der KünstlerInnen nicht bloss als ein zusätzliches betriebswirtschaftliches Tool verstanden werden,  sondern ein methodisches Hinterfragen der vorhandenen Vorstellungen und Strukturen zugelassen wird.
Die Initiative KWW (Kunst Wirtschaft Wissenschaft) wurde von einem Unternehmer, einer Technikerin und Kunsthistorikerin und zwei Künstlern gemeinsam gegründet. Gerade in der Unterschiedlichkeit der Arbeitsmethoden liegt der wechselseitige Gewinn. Innovation gibt es nicht auf Bestellung – aber sie wird durch geeignete Rahmenbedingungen und erweiterte Horizonte gefördert.

Helga Stattler:
Wie kam es zu der Initiative?

Gerhard Flekatsch:
Wir sind einmal zusammen gesessen – eine Gruppe von Menschen aus der Kunst, der Kunstgeschichte, der Technik und der Wirtschaft – und sind dabei auf Themen gestoßen, die uns alle beschäftigen. Und die Runde war fruchtbarer, konstruktiver als die klassischen Podiumsdiskussionen. Daher beschlossen wir, dem Kontinuität zu geben, sozusagen am „Küchentisch“ sitzend. Die informelle Atmosphäre ermöglicht ein offenes Gesprächsklima. Die Meetings haben ein Thema und eine Intention, aber die Gespräche selbst, der Weg und die Ergebnisse müssen völlig offen sein. Die Qualität, die Künstler hier einbringen, ist das Spielerische, dass die Aufmerksamkeit sich in jede beliebige Richtung bewegen, die Phantasie sich entwickeln kann, neue Betrachtungsweisen, ein ganzheitliches Bild entsteht. In hierarchischen Strukturen ist das verloren gegangen. Der Fokus auf ein verordnetes Ziel verhindert meist erweiterte Blickwinkel.

Helga Stattler:
Wie hat sich die Rolle der Kunst in der Gesellschaft entwickelt?

Gerhard Flekatsch:
Kunst war über Jahrhunderte in der gebildeten Klasse, die die Macht hatte, geschätzt und gleichzeitig gefürchtet wegen ihrer aufklärerischen Wirkung. Die große Masse hatte keinen Zugang zur Kunst. Seit etwa 150 Jahren gibt es zwar eine Öffnung, aber den Menschen wurde kaum vermittelt, wie sie sich der Kunst annähern könnten. Und nun hat der Markt die Kunst entdeckt, der Kunstmarkt boomt. Die Verdinglichung von Kunst als Marktobjekt steht dem Verständnis von Kunst im Weg. Kunst ist nicht nur über Werke zu begreifen, sondern als Wahrnehmungsweise, als Einstellung, als Möglichkeit der Auseinandersetzung. Dann hat Kunst eine gesellschaftspolitische Funktion. Gerade in Europa könnte die Kunst die vielen Unterschiedlichkeiten, die oft ausgrenzend empfunden werden, als verbindende Vielfalt thematisieren. Dazu müssten die Projekte allerdings auch emotional berühren und die Menschen mit einbeziehen. Das würde Aha-Erlebnisse möglich machen und den wünschenswerten Brückenschlag.

Helga Stattler:
Zurück zur Initiative KWW, kannst du mir ein Projekt nennen, das hier entstanden ist?

Gerhard Flekatsch:
2011/12 gab es drei Veranstaltungen mit Themen wie zum Beispiel „Bilder im Kopf“, „Regionale Identität“ oder „Satt und hungrig“ – was braucht der Mensch alles? Dabei diskutierten Menschen aus ganz unterschiedlichen Bereichen miteinander und kamen zu erstaunlichen Einsichten. Außerdem hat jeder ein bisschen mehr über die Denkweisen und Methoden in diesen anderen Bereichen erfahren, seien es jetzt die Medien, die Wirtschaft, die Kunst oder die Technik.

Helga Stattler:
Wie wichtig ist dieses technische Knowhow der Künstler?

Gerhard Flekatsch:
Es hilft natürlich in der Kommunikation zwischen den verschiedenen Welten.

Helga Stattler:
Du bringst ja auch vielfältige Erfahrungen mit.

Gerhard Flekatsch:
Das ist richtig. Ich war immer künstlerisch tätig. Schon während meines Medizinstudiums habe ich eine Theatergruppe gegründet, musiziert, fotografisch und malerisch gearbeitet. Im Studium erkannte ich, wie rasch theoretisches Wissen durch neue Erkenntnisse obsolet wird, dass sich dauernd etwas ändert. Der dogmatische Anspruch seiner Vertreter hat mich oft auch irritiert. Vieles ist erst aus dem jeweiligen Zeit- und Kulturgeist heraus verständlich. Dazu hatte ich während meiner Tätigkeit bei der Ärzteflugambulanz einige Schlüsselerlebnisse: Es ging oft um das Überleben des Patienten und in Extremsituationen mussten Entscheidungen getroffen werden. Da erlebte ich, dass es viele Sichtweisen gibt, entsprechend den kulturellen Werten im jeweiligen Land. Gleichzeitig war eine exakte, minutiöse Planung notwendig und kommerziell erfolgreich musste man auch sein. Ich trug 5 Jahre als Geschäftsführer dafür die Verantwortung. Lösungen findet man nur, wenn man die vertrauten Grenzen überschreitet und die Kommunikation zwischen den unterschiedlichen Vorstellungen gelingt.

Helga Stattler:
Wann hast du dich dann ganz für die Kunst entschieden?

Gerhard Flekatsch:
2005 wurde mir bewusst, dass mir zu wenig Zeit und Energie für die Kunst blieb. Kunst ist ja nicht nur das Kunstwerk an sich, sondern es geht darum, Kunst zu leben, es als Teil von sich zu verstehen. Man muss sich selbst relativieren, den Bereich des Intellekts und der Sinne verbinden um zu einem erweiterten Wahrnehmungskonzept und Selbstverständnis zu gelangen.

Helga Stattler:
Und was motiviert dich jetzt, dich mit der Beziehung zur Wirtschaft auseinander zu setzen?

Gerhard Flekatsch:
Die Wirtschaft hat so einen großen Einfluss auf die Menschheit, dass eine Veränderung nur unter Einbeziehung der Wirtschaft erfolgen kann. Sie dominiert gemeinsam mit den Medien die öffentliche Wahrnehmung. Denken wir nur an die größeren Städte überall auf der Welt, das Straßenbild ist voll von suggestiven Werbebotschaften. Nun ist die Wirtschaft an einem Punkt angelangt, an dem die gängigen wirtschaftlichen Mechanismen, die in Zeiten des Aufschwungs funktioniert haben, nicht mehr so greifen. Mit der Formel „Ursache-Wirkung“ können wir nicht alles erklären. Um sinnvoll handeln zu können geht es darum, vom reinen Zweckdenken wegzukommen, Abstand zu gewinnen, die Wahrnehmung weiter zu entwickeln, die Bedeutung des Einzelnen für das Ganze zu erkennen. Wie kann man lernen, nicht nur aus der Ich-Position heraus zu agieren sondern ebenso die Wir-Position zu vertreten? Dann wären andere Formen des Zusammenlebens und Zusammenarbeitens möglich – das ist für Menschen in Entscheidungspositionen eine brandaktuelle Frage, für uns alle die essentielle Herausforderung der Zeit.

Informationen zum Künstler

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Im Gespräch mit KünstlerInnen: Karl M. Sibelius

Helga Stattler:
Herr Sibelius, gerade konnte man Sie in „Nijinskys Tagebuch“ auf der Bühne des Landestheaters Linz sehen. Sie sind Schauspieler, Sänger und Regisseur, Sie unterrichten in Salzburg am Mozarteum –  und nun absolvierten Sie ein Praktikum in der Hypo Oberösterreich. Wieso das?

Karl M. Sibelius

Karl M. Sibelius:
Ich studiere berufsbegleitend „Kulturmanagement“ an der Universität Zürich. Sechs der 28 Monate  Studienzeit lernen wir jeweils die „andere Welt“ kennen: die Künstler arbeiten in der Wirtschaft, die Betriebswirte im künstlerischen Bereich.

Helga Stattler:
Und wie ging es Ihnen da?

Karl M. Sibelius:
Ich war in der Marketing-Abteilung tätig, da ist der Unterschied zu einem Kulturbetrieb nicht so groß. Überraschend für mich war, wie kreativ die Kollegen sind, wie intensiv sie sich gegenseitig austauschen und um Rat fragen. Mit Begriffen wie Change Management oder Leitbild wird selbstverständlich umgegangen. Und es wird alles durchleuchtet, jede Kostenstelle, ganz radikal. Damit habe ich nicht gerechnet. Da könnte der Kulturbetrieb von der Wirtschaft viel lernen. Andererseits fällt mir in Unternehmen immer wieder auf, dass der Erfolg nur an Zahlen und erledigten Aufgaben gemessen wird, die menschlichen Leistungen zählen kaum. Auch in der Management-Literatur wird das beschrieben. Ich lese gerade ein Buch über Leadership und Bürokratie. Da bekommt man das Gefühl, dass sich die Leute nicht mit der Arbeit identifizieren. Das gibt es im Kulturbetrieb überhaupt nicht, hier könnte die Wirtschaft von der Kultur lernen. Wir könnten also gegenseitig sehr viel profitieren.

Helga Stattler:
Ihre Kollegen in der Bank sagen, ein Künstler bringe andere Blickwinkel ein, er habe einen anderen Zugang zu den Aufgaben, nehme die Dinge anders wahr. Haben Sie das auch so erlebt?

Karl M. Sibelius:
Ja, einige Male. Zum Beispiel merke ich, wenn Gespräche standardisiert ablaufen, in einem Frage-Antwort-Schema, das völlig unabhängig von der Person ist. Das muss doch demotivierend sein. Oder bei Bewerbungsgesprächen. Die laufen perfekt ab, aber so kommt man an die Persönlichkeit nicht heran, man kann nicht entdecken, ob der Kandidat wirklich der Beste ist. Mich interessiert, wie er in einer Extremsituation reagieren würde, wie er mit Irritationen umgeht. Als Künstler hört man gut zu und beobachtet genau. Man kann Themen ansprechen, die sonst tabu bleiben.

Helga Stattler:
Sie werden ab der kommenden Spielsaison Intendant am theater // an der rott im niederbayerischen Eggenfelden sein. Da können Sie diese Erfahrungen bald nutzen.

Karl M. Sibelius:
Bei mir war immer im Hinterkopf der Wunsch ein Theater zu leiten, ein Ermöglicher zu sein. Deshalb habe ich schon vor Jahren am Institut für Kulturkonzepte in Wien einen  Lehrgang absolviert und eben jetzt das Studium in Zürich. Wissen ist Macht. Das merke ich bei Verhandlungen wenn ich das Excel-Sheet öffne mit meiner Projektkalkulation. Da staunt man, dass jemand wie ich eine Bilanz lesen kann. Weil normal hat ein Künstler keine Ahnung davon.

Helga Stattler:
Kulturmanager und Künstler – lässt sich das vereinbaren?

Karl M. Sibelius:
Ich glaube nicht, dass mir das eine vom anderen etwas wegnimmt. Im Gegenteil, ich bin selbstbewusster und entspannter auf der Bühne. In Georg Kreislers Ein-Mann-Musical „Adam Schaf hat Angst“ werde ich im theater // an der rott ein Schauspieler sein, der über den neuen Intendanten lästert, da kann ich mich richtig selber beschimpfen und mit dem Publikum solidarisch erklären (lacht). Ich werde künstlerischer und kaufmännischer Leiter des Theaters sein. Und mein Ehrgeiz ist, dass es ein großartiges Theater wird, eines von dem man spricht. Ich glaube, dass wir uns nicht nur durch die Stückauswahl von den anderen absetzen werden, sondern weil mein Team und ich uns zumindest auch den Kopf darüber zerbrechen, wie man Kunst und Ökonomie auf einen gemeinsamen Nenner bringen kann. Mal sehen, ob uns das gelingt.

Helga Stattler:
Dann – toi, toi, toi!

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Im Gespräch mit KünstlerInnen: Hermann J Kassel

Helga Stattler:
Herr Kassel, unser erstes Zusammentreffen war beim Symposium „Kunst fördert Wirtschaft“ in Dortmund. Mich ist damals der Titel der Veranstaltung angesprungen und ich hab mich spontan angemeldet. Wie war das bei Ihnen?

Hermann J Kassel

Hermann J Kassel:
Der Titel war tatsächlich provokant. Ich bin aber davon überzeugt, dass die Kunst es tatsächlich vermag, der Wirtschaft wichtige neue Räume zu eröffnen, und zwar eben auch im unternehmerischen Interesse. So kann die Kunst auch die Wirtschaft befördern. Ich war auch interessiert dort Menschen zu treffen und zu sehen, wie sind die anderen unterwegs. Wie zum Beispiel der Hirnforscher Gerald Hüther, oder der Künstler Timm Ulrichs aus Münster, das war doch spannend und hochamüsant. Und Sie hab ich doch auch kennengelernt (lacht)!

Helga Stattler:
…. ja, genau, wir sind auch schnell miteinander ins Gespräch gekommen. Es gab aber Zeiten wo es unverträglich war als Künstler sich mit der Wirtschaft einzulassen. Wie war und ist das für Sie?

Hermann J Kassel:Ich habe da zunächst keinerlei Berührungsängste. Bislang ist es auch noch nicht vorgekommen, dass ich aus einem Unternehmen flüchten musste. Aber es  kann schon ein Dilemma geben – zum Beispiel bei der Frage, was ein Unternehmen produziert, kann ich das moralisch vertreten? Oder muss man sich als Künstler/In nicht gerade in die Höhle des Löwen begeben? Zunächst einmal sollten sich Künstler an viele Orte bewegen und Einfluss nehmen. Kunst sollte verändern WOLLEN!

Helga Stattler:
Gibt’s dafür ein Beispiel?

Hermann J Kassel:
Ja, da gab es zum Beispiel die Anfrage eines Spielcasinos bezüglich einer Skulptur. Hier musste ich schon eine Weile darüber nachdenken,  ob ich für ein solches Unternehmen arbeiten möchte.  Aber es hat mir eben auch die Möglichkeit für eine intensive Auseinandersetzung mit diesem Thema – „der Jagd nach dem Glück“ – gegeben. Und ist es nicht spannend Menschen gerade an Orten, wo sie kaum Kunst erwarten, mit Kunst zu konfrontieren? Vielleicht vermag diese unerwartete Konfrontation mit einer Skulptur für einen kleinen Moment innezuhalten, positiv zu irritieren. Diese Versuche möchte ich immer wieder unternehmen. Einen Maulkorb lasse ich mir nicht umhängen – dann nicht!

Helga Stattler:
Beschreiben Sie uns doch bitte ein erfreuliches Projekt aus der letzten Zeit.

Hermann J Kassel:
Das war ein Auftrag des BMBF, des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Anlass war ein großes Förderprogramm zum Thema „Lernen vor Ort“ und in dessen Rahmen die Jahrestagung mit 500 Teilnehmern im Dezember 2011 in Berlin. Dafür sollte ich eine künstlerische Intervention entwickeln. Es ging um strukturelle Veränderungen in Bildungsfragen. Die Exponenten in den Regionen sollten neue Strukturen aufbauen. Meine Idee war, sie mit den fundamentalen Fragen an sich selbst zu befassen: Bilde ich in meiner Einrichtung tatsächlich? Bin ich bereit zu lernen? Dafür habe ich eine Stempel-Edition  in einer limitierten Auflage von 525 Stück entwickelt mit den beiden Aussagen “ich lerne…..”©, “ich bilde…..”©, dazu 15 Büttenpapierbücher im Schuber. Diese zwei fundamentalen Aussagen eröffnen den ganzen Fragen-, Assoziations- und Affirmationskatalog. Lerne und bilde ich wirklich? Wen? Wie? Warum? Was? Gerne? Notgedrungen?….
Daraus ist eine Bibliothek entstanden, gestaltet von den TeilnehmerInnen. Sie haben eingetragen, was Lernen und Bilden für sie bedeutet. Das Buch soll demnächst digitalisiert und online gestellt werden, damit noch mehr Menschen daran teilhaben können.

Helga Stattler:
Mir ist aufgefallen, dass Sie bei Ihren Projekten immer mit den MitarbeiterInnen gemeinsam arbeiten. Kann das Ergebnis dann wirklich ein „Kunstwerk“ sein?

GETRAG Ford Transmissions

Hermann J Kassel:
Worauf es mir bei meinen Projekten „take part in art”© ankommt ist, mich mit den für das Unternehmen relevanten Fragestellungen zu beschäftigen. Daraus entwickle ich ein Konzept für den Workshop und die hierin entstehende Arbeit. Und dann arbeite ich mit den teilnehmenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern tatsächlich an den Fragen die sie betreffen, um die es sich wirklich dreht. Ich will eine neue Perspektive geben. Nachhaltigkeit ist mir wichtig. Und es geht mir darum tatsächlich ein Kunstwerk zu konzipieren und mit den Beteiligten zu realisieren. Das Kunstwerk verbleibt dann an exponierter Stelle im Unternehmen. Zum Beispiel die Skulptur für die Zentrale der GETRAG Ford Transmissions in Köln, die beim Strategietreffen der 45 Senior Manager/innen geschaffen wurde. Mein Workshop-Format zielt darauf ab, ein nachhaltiges, bleibendes Ergebnis zu schaffen, welches als geistiger und emotionaler Anker mit Strahlkraft nach innen und außen dauerhaft seinen Platz im Unternehmen hat. So kann es wirksam bleiben.

Helga Stattler: Wie gehen Sie bei einem Projekt vor?

Hermann J Kassel:
Der Kommunikationsprozess ist sehr intensiv. Von aktuellen Fragestellungen bis zu vertraulichen Firmenunterlagen. Das ist ein intensiver Austausch im Vorfeld. Dann stelle ich noch vor dem Workshop der Unternehmensleitung vor, was ich machen werde. Ich versuche einen weiteren Raum zu öffnen, ein anderes Denken, eine andere emotionale Herangehensweise in die Organisation zu bringen.

Helga Stattler:
Sie haben auch eine Dozentur am Rheinischen FührungsColleg und kooperieren mit Beratern. Wie klappt die Zusammenarbeit mit Experten aus diesen Bereichen?

Hermann J Kassel:
Das Wertvolle ist das Netzwerk und der gegenseitige Austausch. Wie arbeiten die klassischen BeraterInnen mit den Kunden, was macht ein Kreativ-Coach? Über dieses Netzwerk ist auch die Frage an mich herangetragen worden, was Kunst in Krankenhäusern bewirken kann. Prof. Wagner initiierte dazu am Klinikum Hildesheim die „KulturStation“, Ende Mai ging dort die Tagung „Kultur kann anders“ über die Bühne.

Helga Stattler:
Danke für diesen Hinweis, genau über solche Initiativen in Organisationen berichten wir in unserem Blog. Und vielen Dank für das Gespräch!

WeiterlesenIm Gespräch mit KünstlerInnen: Hermann J Kassel

Südtiroler Unternehmer suchen konstruktiven Dialog mit Künstlern

Neue Formen der Zusammenarbeit zwischen Kultur und Wirtschaft sind das Thema einer Sendereihe im Studio 3 des Senders RAI Bozen. Susanne Barta interviewt in dieser Serie vor allem Manager aus internationalen Unternehmen aber auch Jungunternehmer. In der Sendung am 10. Jänner 2012 war die Meinung des Instituts für Kunst und Wirtschaft zum Thema „Alternativen zum Kunst-Sponsoring“ gefragt.

Interessant an den Gesprächen ist, dass alle Interviewpartner aus der Wirtschaft über ein Umdenken in der Beziehung zu KünstlerInnen und Kunst berichten. Kunst ist kein Prestigeobjekt mehr, sondern muss zum Unternehmen passen, die MitarbeiterInnen und die gesamte Organisation emotional berühren. Dann kann man sich auch vorstellen, Künstlerinnen und Künstler im Sinne einer Partnerschaft stärker zu integrieren, zum Beispiel bei Innovationsprozessen, der Entwicklung neuer Technologien. Kreativität und Innovation müssen „anders gedacht“ werden und da könnte Kunst ein guter Partner sein.

Auf die Frage von Susanne Barta, was denn Wirtschaft von der Kunst lernen kann, antwortet zum Beispiel der Jungunternehmer eines traditionellen aber innovativen Familienbetriebes: „Wir, die Wirtschaft, leben in der Gegenwart und mit Zahlen, immer nur Zahlen. Die Kunst blickt viel mehr in die Zukunft, sie nimmt sich den Freiraum Dinge anders zu betrachten. Von Künstlern können wir lernen zu abstrahieren. Wenn man sich von der Realität distanzieren kann wird man kreativer.“

Für den Manager eines internationalen Unternehmens mit 5000 MitarbeiterInnen steht das bisherige Sponsoringkonzept auf dem Prüfstand. In Zukunft muss das mehr sein als Logo und PR. Weg von der Gießkanne zu nachhaltigen, langfristigen Partnerschaften, wie das in anderen betrieblichen Bereichen selbstverständlich ist. Kunst soll zum Spirit des Unternehmens passen und für beide Seiten Werte generieren.

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