Die Schatztruhe öffnen – Potenziale der MitarbeiterInnen entfalten!

Entwicklung und Erfolg hängen davon ab, ob die Schätze an Kreativität, Erfahrung, Energie und Lust am Neuen, die bei Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern vorhanden sind, in den Organisationen gesehen, geschätzt und aktiviert werden. Das gilt besonders für implizites Wissen und Fähigkeiten, die aufs Engste mit der jeweiligen Person verknüpft.

Dazu müssen herkömmliche Routinen und Verhaltensweisen hinterfragt, neue Ideen ausprobiert und auch Fehler gemacht werden dürfen. Gibt es Zeit und Raum fürs Reflektieren, fürs Experimentieren? Gibt es die dafür erforderliche Kultur im Unternehmen? Wie steht es um die Selbstsicherheit der Mitarbeitenden? Sind sie sich ihrer Fähigkeiten bewusst und können sie sich durch ihre Arbeit weiter entwickeln?

Wie wichtig es ist das Potenzial, das in der Organisation schlummert, freizusetzen, dafür gibt es reichlich Literatur, Konzepte und Appelle. Aber WIE erreicht man dieses Ziel in der Praxis?

Auf den ersten Blick sind natürlich die UnternehmerInnen und Führungskräfte gefordert. Kerngeschäft des Managements ist, zukunftsorientiert die Voraussetzungen für ständige Veränderung zu schaffen. Aber viele sind selbst gefangen in den gewohnten Denkmustern. Der Druck, der heute überall herrscht, hindert ebenfalls daran mutig zu sein und Neues anzupacken. Manchmal braucht es einfach einen Impuls von außen, um Veränderungsprozesse anzustoßen.

Experten für den Blick von außen sind Consultants. Der Auftrag an sie ist aber meist mit konkreten Zielen verbunden. Fachberatung fokussiert auf Inhalte, Stärken und auf „mehr desselben“. Systemische Beratung hat zwar einen ganzheitlichen und prozessorientierten Blick auf Zusammenhänge, orientiert sich aber auch eher an vorhandenen Ressourcen. So kann das „radikal Neue“ nicht entstehen. Es erfordert einen völlig anderen Blick auf Menschen, Themen und Zukunft. Es geht darum, das eigene Unternehmen und die eigene Tätigkeit mit anderen Augen zu sehen.

Deshalb entdecken immer mehr UnternehmerInnen und ManagerInnen die Chance, die ihnen die Irritation durch den unverfälschten, offenen und kritischen Blick von Künstlerinnen und Künstlern eröffnet. Der renommierte Organisationsberater Edgar Schein von der Sloan School am MIT argumentiert: „Art and artists stimulate us to see more, hear more, and experience more of what is going on within us and around us.“ [1]

ZeitschriftCoverIn der Zeitschrift „supervision 01_2015“ erschien mein Artikel „Kunst irritiert – und wirkt“. Ich beschreibe in diesem Beitrag, wie Irritationen, die Künstlerinnen und Künstler bei Mitarbeitenden in Organisationen auslösen, zu neuen Perspektiven,Verhaltensänderungen und wirtschaftlichen und sozialen Innovationen führen können. Anhand internationaler Praxisbeispiele (Deloitte, Gaulhofer Industrieholding GmbH, i3tex – technischen Beratung Schweden, Rechtsanwaltssozietät Köln, dm Drogeriemarkt) wird diese Form Impulse zu setzen, die Künstlerische Intervention, anschaulich gemacht.

Irritation kann unterschiedlich empfunden werden: Sie stört, sie verwirrt, sie lässt kurz innehalten – und löst Widerstand aus, denn Systeme wehren sich zunächst gegen Angriffe von außen. Dann aber wird die Irritation fast immer als Anregung erlebt und das ist die Chance: Ich werde neugierig, ich beginne zu denken, ich denke bisher Nicht-Gedachtes, erlebe etwas ganz neu, nehme etwas Unbekanntes wahr. Meine Beurteilung der Situation ändert sich, ich entdecke neue Handlungsmöglichkeiten. Dann kann diese Irritation befreiend sein, sie wird zur Inspiration, eröffnet mir neue Sichtweisen und Möglichkeiten, sie überrascht mich – aha! So geht es auch, sogar besser!

Da der Artikel auf der Homepage von supervision nicht downloadbar ist, maile ich ihn gern, wenn Sie mir Ihre Email-Adresse bekannt geben.

[1] Schein, E., (2001). The role of art and the artist. Reflections 2(4):81-83

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Wirf einen Stein ins Wasser – dann entstehen Wellen!

©Nordkolleg Rendsburg
©Nordkolleg Rendsburg

Mehr als 100 InteressentInnen folgten der Einladung „Hereinspaziert“ des Teams von „Unternehmen! KulturWirtschaft“ im Nordkolleg Rendsburg. Dann hieß es Manege frei für die Protagonisten*) der acht Pilotprojekte künstlerischer Interventionen, deren Abschluss mit einer vielfältigen Veranstaltung gefeiert wurde.

Acht Unternehmen waren mutig genug sich auf etwas Neues, eine künstlerische Intervention, einzulassen, darunter auch das Nordkolleg und das Team rund um Lena Mäusezahl, die Intermediäre = Prozessbegleiter dieser Projekte. Sie wollten die künstlerische Intervention und ihre Wirkung hautnah selbst erleben. Alle Projekte waren durch die Unternehmer bzw. Geschäftsführer, durch MitarbeiterInnen und den / die KünstlerInnen vertreten und berichteten in lebendigen Geschichten und bunten Bildern über den Ablauf und die Ergebnisse.

Video-Dokumentationen aller Projekte, auch mit back-stage-Eindrücken, boten Einblick in die Abläufe. Auf der Seite www.massiv.kreativ.de von Antje Hinz können Sie ausführliche, informative Interviews von allen Beteiligten – den Managern, den Künstlern und den Mitarbeitern – zu den verschiedenen Projekten hören und sehen.

Wenn Sie eine kompakte Information bevorzugen, dann empfehle ich Ihnen dieses Videomit Szenen aus vier Interventionen:

Mit einem kreativen und kurzweiligen Veranstaltungsdesign, moderiert von Lena Mäusezahl und Nele Tiemeyer, gingen die Präsentationen in das fröhliche Abschlussfest über.

*) Ein Protagonist ist daran erkennbar, dass er im Verlauf der Geschichte eine Wandlung erfährt, sich also durch die Ereignisse und Erfahrungen weiterentwickelt. Bei diesen Pilotprojekten haben sich alle Beteiligten weiterentwickelt.

Der anschließende Workshop-Tag

Arbeitsgruppe_foto unternehmenkulturwirtschaft.de
Arbeitsgruppe_foto unternehmenkulturwirtschaft.de

bot Gelegenheit, das gemeinsame Verständnis von künstlerischen Interventionen zu schärfen. Der Begriff wird inzwischen für ganz unterschiedliche Aktionen verwendet, von der Kunst am Bau bis zu themenbezogenen Beiträgen von KünstlerInnen beim heurigen Forum Alpbach.
Unser Fokus: Künstlerische Kompetenzen für unternehmerische Fragestellungen einsetzen und damit Möglichkeitsräume öffnen.

In einer Zukunft voll automatisierter Arbeitsabläufe – Stichwort Industrie 4.0 – wird es noch offensichtlicher, dass sich Unternehmen nur mit den Fähigkeiten ihrer MitarbeiterInnen von der Konkurrenz abheben können. Dabei geht es um Kommunikation, um vernetztes Denken, Überschreiten von Grenzen, den weiten Blick auf das Ganze und vor allem um wirklich gute Zusammenarbeit. Geben Sie zu: Klappt das derzeit in Ihrem Unternehmen so, dass Sie sich nicht sorgen müssen? Gerade lese ich im Manager Magazin, dass 7 von 10 Führungskräften im mittleren Management von der Zusammenarbeit mit ihren KollegInnen im Team nicht begeistert sind.

Themen der Workshops waren u.a. die Rolle des Intermediärs, die Intervention aus Künstlersicht, der ideale Auftraggeber, die Frage nach dem richtigen Zeitpunkt und wie genau das Ziel festgelegt werden soll – denn künstlerische Interventionen sind ergebnisoffen. Was heißt das?

Künstlerische Interventionen sind „ergebnisoffen“

Das interessierte die anwesenden Wirtschaftsleute, die sich von Beratung natürlich ein Ergebnis erwarten. Die bereits KI-erfahrenen Unternehmen erklärten: Das Ziel ist eine Verbesserung, der Prozess wird klar gesteuert, welche Intervention vom Künstler/der Künstlerin gesetzt und was wirklich erreicht wird, entwickelt sich im Prozess und das erleben alle Beteiligten unmittelbar – und die meisten berichteten über ein unerwartetes und überraschendes Erlebnis.

ArianeBerthoinAntalAriane Berthoin-Antal vom WZB (Wissenschaftszentrum Berlin) hatte die wissenschaftliche Begleitung der Projekte übernommen. Eines der Ergebnisse ist zum Beispiel der Fokus auf die Lernprozesse für alle Beteiligten. Damit wird der Intermediär zum Lernprozess-Begleiter. Und es wird klar, dass die Voraussetzung für ein gutes Projekt die Bereitschaft aller im Unternehmen ist, zu lernen und sich zu entwickeln. Das entspricht auch dem Beratungsansatz der Lernenden Organisation. Dann stellt sich auch nicht die (an sich wichtige) Frage, nämlich ob die Manager das überhaupt wollen. Wenn man will, dass alles so bleibt wie es ist, macht man besser keine künstlerische Intervention.

Was bringt das den Unternehmen?

Erinnern Sie sich an das letzte Kommunikationstraining? Wurde dessen Wirkung exakt bewertet? Die laute Frage nach dem Nutzen von künstlerischen Interventionen wird ja nur gestellt, weil diese innovative Form der „Beratung“ noch weitgehend unbekannt ist, man noch nie über die besonderen Fähigkeiten von KünstlerInnen nachgedacht hat und das Risiko eines Misserfolgs scheut.

UnternehmerInnen, Managern und MitarbeiterInnen die verstehen, dass Veränderungen und technologische Entwicklung immer einen Eingriff in soziale Gefüge bedeuten, bringt eine künstlerische Intervention sehr viel. Die Bedeutung der Menschen wurde bisher oft übersehen. Enttäuschende Ergebnisse nach Fusionen sind dafür ein gutes Beispiel.

©coachingprodukte-entwickeln.de
©coachingprodukte-entwickeln.de

 

 

Bei der „Fishbowl“*) zur Frage „Was bleibt?“ habe ich eine schöne Metapher notiert:
„Es ist vergleichbar mit einem Stein, den man ins Wasser wirft – dann entstehen Wellen, die sich in alle Richtungen bewegen!“

 

Hier einige Aussagen:

  • Es ist etwas in Bewegung gekommen
  • Die Identifikation mit dem Unternehmen ist wieder ein Thema
  • Potenziale wurden entwickelt
  • Über die emotionale Seite der Zusammenarbeit kann gesprochen werden
  • Perspektivenwechsel ist nunmehr „normal“
  • Bei strukturellen Änderungen werden die Menschen „mitgenommen“ und nicht nur informiert
  • Die Gespräche gehen weiter
  • Geschichten, Texte, Filme, Artikel, Artefakte,…

Für diese Nachhaltigkeit sind aber die Führungskräfte und MitarbeiterInnen verantwortlich, die KünstlerInnen und der Intermediär können sie dabei unterstützen und durch Reflexionsangebote das Bewusstsein dafür stärken.

*) Wie im Goldfischglas diskutiert im Zentrum eine kleine Gruppe, während im Außenkreis die Teilnehmerinnen zuhören. Ein leerer Stuhl ermöglicht jederzeit mitzureden.

©popup_drej-design
©popup_drej-design

Eine Pop-up-Ausstellung als künstlerisches Spiegelbild der Veranstaltung

Was mich bei der Veranstaltung noch besonders beeindruckt hat, war die Begleitung durch das Künstlertrio drej.

Die Künstlerinnen beobachteten die Diskussionen und brachten in Bildern und Statements die zentralen Themen, Fragen und Ideen „auf den Punkt“. In einer begehbaren Installation konnte man Kernsätze Revue passieren lassen und durch eigene Beiträge ergänzen.

Das Pop-up-Konzept hat auch Ariane Berthoin-Antal angesprochen. Sie widmet einen ganzen Blogbeitrag der Dokumentation der Veranstaltung durch die KünstlerInnen. Viel genauer können Sie darüber also auf dieser Site lesen und Fotos sehen.

foto h.stattler
pop-up-Ausstellung_foto h.stattler

Und die Zukunft?

Nach diesen „Pionier-Projekten“ sind nun offene und lernbereite Unternehmen gefragt, die sich für eine künstlerische Intervention interessieren, damit durch zahlreiche Projekte diese neue Form der Intervention zu einer bekannten und geschätzten Alternative in der Palette der Beratungsangebote wird.

Nordkolleg_foto h.stattler
Nordkolleg_foto h.stattler

Gebraucht wird auch eine Institution, die diese Initiative unterstützt und die künstlerische Intervention bekannt macht. Eine Idee war zum Beispiel eine Roadshow mit den Pionierunternehmen. Das gilt für Österreich genauso wie für Deutschland. Das Nordkolleg war für „Unternehmen! KulturWirtschaft“ eine ideale Homebase. In einer Akademie für kulturelle Bildung, mit dem offenen und engagierten Leiter Guido Froese und ansprechenden Arbeitsräumen mitten im gepflegt-wilden Grün des Gartenareals, sind künstlerische Interventionen optimal aufgehoben. Es wäre schade, wenn das Know-how des Teams um Lena Mäusezahl verloren ginge.

Zurück nach Wien mit Zwischenstopp in Hamburg habe ich dann entspannt am Alster-Ufer in der Dokumentation geschmökert und den Stand up PaddlerInnen an der Alster zugeschaut. Der Fotoapparat war leider im Bahnhof-Schließfach.

Dokumentation_foto h.stattler
Dokumentation_foto h.stattler

Dafür kann ich ein Foto der Dokumentation und das Inhaltsverzeichnis zeigen! Auf 100 Seiten gibt es Berichte über alle acht künstlerischen Interventionen, die beteiligten Künstler, die wissenschaftlichen Erkenntnisse und die Rolle der Intermediäre.

Die Broschüre kann mit einer Email an kulturwirtschaft@nordkolleg.de bestellt werden, sie kostet € 15,- + Versandkosten.

Die erfolgreichen Praxisbeispiele aus Rendsburg geben nun ein Stück Sicherheit. Weitere aus anderen europäischen Ländern gibt es auch (dazu einiges unter „Praxisbeispiele“). Also holen Sie sich Anregungen und dann rufen Sie uns an!
Wir beraten Sie gern.

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Eine Geschichte entsteht nur wenn du „JA und …“ sagst

Isabelle Uhl.
Isabelle Uhl

Interview mit der Künstlerin und Kunstmanagerin Isabelle Uhl, Mitglied im Künstler_innen-Pool des Instituts für Kunst und Wirtschaft

Helga Stattler:
Ich habe dich bei einem Projekt als Schauspielerin und Trainerin kennen gelernt. Wann hast du deine künstlerische Ader entdeckt?

Isabelle Uhl:
Das war kein gerader Weg. Ich komme aus einem unkünstlerischen Umfeld. Dass ich schon sehr früh zu tanzen begann, habe ich selbst initiiert, zunächst Ballett, dann zeitgenössischer Tanz. Bei der Entscheidung für ein Studium an der Universität des Saarlandes entschied ich mich aber zunächst für Informationswissenschaften und Germanistik. In Saarbrücken gab‘s dann auch eine freie Theatergruppe, dort spielte ich. Dazu verdiente etwas Geld mit Statisterie am Staatstheater Saarbrücken und bekam dann dort auch kleinere Rollen. Zudem hab ich beim Saarländischen Rundfunk und Fernsehen gejobbt und übernahm Regieassistenzen. Nach dem Studienabschluss entschied ich mich (doch) noch Schauspiel zu studieren, um das Handwerk zu erlernen. Deshalb ging ich 1996 nach Wien und besuchte drei Jahre die Schauspielschule Krauss. 1997 wurde in Wien das „urtheater“ gegründet, das 1999 in der Drachengasse mit Improtheater bekannt wurde. Da war ich von Anfang an dabei.

Helga Stattler:
1999 entstanden ja einige Institutionen, in denen sich Kunst mit Gesellschaft und Arbeitswelt auseinandersetzt: Wolfgang Kainz gründete das „Business Theater Wien“ und Walter Kosar gemeinsam mit mir „the company stage“, Unternehmenstheater. Die ersten Theaterworkshops für Führungskräfte wurden von innovativen Personalentwicklern eingesetzt.

Isabelle Uhl:
Im urtheater arbeiteten auch einige Kolleg_innen mit Theatermethoden für Teamtrainings, bei Workshops und Firmenveranstaltungen. Wir hatten bereits 20 Mitglieder, meine Rolle war damals Produktionsleitung und PR bei Theaterproduktionen des urtheater. Parallel war ich immer auch als freie Schauspielerin aktiv, kurz auch mal fix im Burgtheater. In Wien war die Zeit der Theaterreform und wir reichten damals ein gemeinsames Arbeitskonzept mit zwei anderen freien Gruppen ein. Gleichzeitig war bei mir auch die Zeit für Familie und drei Kinder. Wir bekamen als Leitungsteam das TAG (Theater an der Gumpendorferstrasse) und ich besann mich auf meine Stärken, nämlich beide Seiten zu leben, die künstlerischen Fähigkeiten und die organisatorischen. So arbeite ich im TAG als Leiterin der Dramaturgie und Assistenz der künstlerischen Leitung.

Helga Stattler:
Wie schaut bei dir die Dramaturgie einer künstlerischen Intervention aus? Wie würdest du vorgehen?

Isabelle Uhl:
Bei einer künstlerischen Intervention würde ich im Unternehmen zunächst das Gespräch mit den Menschen suchen, um herauszufinden: Wie sind sie drauf, welche Teams gibt es, welche Strukturen? Und: Wie sind sie aufgestellt, wie denken sie, hat das Potenzial genügend Raum, um sich zu entfalten? Wahrscheinlich nicht, weil es kein perfektes Umfeld gibt. Dann würde ich ein Setting überlegen, wie dieses Potenzial entfaltet werden könnte. Wichtig wäre mir der Austausch quer über die Hierarchie, einerseits die Frage, ob vom Management gesehen werden kann, welches Potenzial da ist, aber auch, dass die Mitarbeiter sehen, welchen Anforderungen das Management ausgesetzt ist. Das Setting ist ein Vehikel, um dafür Raum zu schaffen, ins Gespräch zu kommen, außerhalb der gewohnten Arbeitsgespräche. Dabei ist mir auch Humor ein wichtiges Mittel. Wir werden über die Rollen im Unternehmen reden, darauf schauen, ob es möglich ist den Gedanken Freiraum zu lassen, auch utopische Dinge zuzulassen, die man sich normal verbietet.

Helga Stattler:
Wir erleben in Gesprächen mit potenziellen Kunden eine gewisse Skepsis gegenüber kunstbasierten Methoden, obwohl viele auf der Suche nach Innovationen sind.

Isabelle Uhl:
Das Bild des Künstlers entspricht nicht der Realität. Die meisten Menschen haben keine Vorstellung davon wie Künstler wirklich leben, wie ihre Werke entstehen, wie der Schaffungsprozess abläuft. Es gibt nicht DEN Künstler oder die Künstlerin, das wird leider auch von der Politik gepflegt, zum Beispiel um zu definieren wer ein/e Künstler_in ist. Wenn Unternehmen und Künstler_in gemeinsam arbeiten würden, käme es bei beiden zu einer Anpassung an die Realität. Es würde verändern wie man Dinge sehen kann, das Leben und das Umfeld bereichern.

Helga Stattler:
Was könnte der „Schuhlöffel“ zur Bewusstseinsbildung sein?

Isabelle Uhl
Isabelle Uhl

Isabelle Uhl
Zum Beispiel ein Kennenlernen bei einem Training zur Teambildung, oder einmal im Jahr eine Klausur, die von KünstlerInnen gestaltet wird. Auch eine Improshow zur Unterhaltung bei Events ist erlaubt, aber sie muss auf das Unternehmen abgestimmt sein. In einem künstlerischen Umfeld sein und selbst künstlerisch arbeiten – das schafft einen anderen Blickwinkel. Das wäre für jeden Menschen empfehlenswert.

Ein gutes Beispiel für eine gute Beziehung zwischen Unternehmern und Künstler_innen ist der Kunstfrischmarkt im 7.Bezirk. Er ist für Beide eine win-win-Situation. Es entsteht ein Netzwerk und die Menschen erfahren, dass Kunst große Kraft hat.

Helga Stattler:
Gesellschaftliche Ziele werden erreicht, aber was lernen die Unternehmen und die MitarbeiterInnen bei einem solchen Projekt?

Isabelle Uhl:
Zumindest lernen sie nicht nur Werke sondern auch Künstlerinnen und Künstler als Menschen näher kennen. Es ist ein gegenseitiges Wahrnehmen, und zwar auf Augenhöhe und nicht in der klassischen Sponsoring-Haltung.

Helga Stattler:
Wann ist der „richtige“ Zeitpunkt für eine künstlerische Intervention?

Isabelle Uhl:
Es gibt nie den richtigen Zeitpunkt. Durchaus auch in Krisensituationen und nicht nur als Sahnehäubchen in guten Zeiten. Das ist zwar Ok und wunderbar und wäre auch ein Einstieg um einander kennen zu lernen. Aber gerade bei Problemen, wo man nicht mehr weiter weiß, ist ein Blick von außen sinnvoll, von jemandem der anders denkt. Raus aus dem Tunnelblick!

Was ich mitgenommen habe von Keith Johnstone, dem wunderbaren Lehrer und Erfinder vieler neuer Arten der Improvisation, ist: Eine Geschichte findet nur statt, wenn ich sage „JA und …“. Schon bei „Ja ABER …“ stockt es, es entsteht nichts Gemeinsames. Wir sind gewohnt, erst einmal NEIN zu sagen, auch um uns zu schützen. „JA und …“ kann das Leben sehr bereichern. Jedes Unternehmen könnte daran wachsen, wenn es sich darauf einlässt. Dazu gehört auch das Scheitern, möglichst lustvoll und mit Humor. Da werden Unternehmer protestieren – das kann ich mir nicht leisten! Keith hat dazu gesagt: Spring nicht in einen Swimmingpool, wenn kein Wasser drin ist!

In der Wirtschaft geht es um Zahlen, das ist OK. Wenn man auch noch schafft die Menschen zu sehen, wäre das sehr SINN-voll für alle.

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Literatur für Einsteiger zum Thema „Kunst im Unternehmen“

Buchcover Kunst im Unternehmen

 

„If I can’t picture it – I can’t understand it“ – dieses Zitat von A. Einstein stellt Bianca Edda Weber an den Beginn ihrer Auseinandersetzung mit dem Thema Kunst und Wirtschaft. Ihr Anliegen ist es, dem Leser eine kompakte, systematische Einführung in die Materie zu ermöglichen. Dabei geht es vor allem darum, die Bedeutung und den Nutzen künstlerischer Interventionen in Unternehmen bewusst zu machen. Weg von dem noch immer weit verbreiteten Gedanken, Kunst im Unternehmen mit Sponsoring oder Behübschung der Vorstandsetagen zu verbinden.

„Benötigen Gesellschaften und ihre Individuen Zeit, um Wahrnehmung und Dasein an die sich stetig wandelnden Bedingungen anzupassen, sind es die Künstler, die stets einen Schritt schneller gehen und aus dem Neuen schöpfen“. Die Autorin schränkt allerdings den Kunstbegriff auf bildende Kunst ein, wodurch vielfach eingesetzte künstlerische Initiativen aus der Welt des Theaters, der Musik und anderen Kunstsparten ausgeblendet werden.

Aus der vorhandenen Literatur leitet B.E.Weber Nutzen und Wirkung von Kunst ab: Erkenntnis- und Wahrnehmungsfunktion als Chance eingefahrene Denk- und Handlungsmuster zu verlassen. „Der Umgang mit Kunst kann als Wahrnehmungstraining verstanden werden“. Die Auseinandersetzung mit Kunstwerken, das Sehen, Interpretieren oder Vergleichen inspiriert zu kreativen, innovativen Prozessen. Aber auch die Imagewirkung für das Unternehmen in der Öffentlichkeit betont sie als wesentliche Funktion.

Kunst wird in ihrer Wirkung nach innen – als Teil der Unternehmenskultur, der Personal- und Organisationsentwicklung analysiert. In ihrer Wirkung nach außen prägt sie die Unternehmenskommunikation. Als integrativen Ansatz bezeichnet sie die Wirkung nach innen und außen. Kunst kann dabei einen Mehrwert in der Strategieentwicklung generieren, indem sie Veränderungen seismographisch antizipiert, komplexe Entwicklungen verständlich macht und zu Grenzüberschreitungen ermutigt.

Die zahlreichen Beispiele werden anhand des Einsatzes von Kunst in den verschiedenen Unternehmensbereichen vorgestellt. So findet man Initiativen für Kunst als integralen Bestandteil der Unternehmenskultur (Würth GesmbH &Co KG), Kunst für die Entwicklung einer innovativen Werbe- und Recruiting Kampagne (Boston Consulting Group), Kunst als Prozessbegleiter zur Erzeugung innovativer Denkansätze (Daimler AG) und Kunst als Katalysator für die Teamentwicklung bei Mergers (Haworth).

Besonders spannend fand ich das Beispiel der Beratungsfirma Droege&Comp.1), bei dem Kunst als Grundlage zur Entwicklung einer Unternehmensstrategie dienen sollte. Das Motto war „Beratung ist Umsetzung nach allen Regeln der Kunst“, was das Unternehmen nicht als Wortspielerei verstanden wissen will, sondern „sieht die Kunst der Beratung darin, die Einheit von Konzeption und Handeln herzustellen. Dafür sind bestimmte Regeln notwendig…… Kunst schöpft aus der Veränderung, dem Neuen und Unbekannten. Zusätzlich ist sie Sinnstifter und inspiriert. …Es mag zwar nicht so erscheinen, dennoch folgt die Kunst und die Entstehung von Kunstwerken Regeln.“ Diese Annahme hat bewirkt, dass zusammen mit dem Lehrstuhl für Kunstwissenschaft Ästhetik und Kunstvermittlung der Universität Witten/Herdecke für das Unternehmen ein Kunstkonzept entwickelt wurde, das heute als Grundlage der Beratungsphilosophie eingesetzt wird.

Das Buch schließt mit einer graphischen Übersicht über den Einsatz von Kunst im Unternehmen. Die Ausführungen folgen dem stringenten Aufbau einer wissenschaftlichen Arbeit mit theoretischen und definitorischen Erläuterungen zu jedem Kapitel. Die Autorin bietet mit dieser Arbeit eine verständliche Orientierung für Einsteiger in die Thematik „Kunst und Wirtschaft“.

Bianca Edda Weber „Kunst im Unternehmen“, Diplomica® Verlag GmbH, Hamburg 2010, ISBN-13: 978-3836690669. Die Zitate wurden dem Buch entnommen.

1) Das Kunstkonzept von Droege haben wir auch in zwei anderen Publikationen gefunden, die wir bereits besprochen haben: „Das Wie am Was“ und „Künstlerische Irritationen im Unternehmen“.

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Neue Blog-Reihe „Kreativität für die Wirtschaft“

© Antje Hinz
© Antje Hinz

Antje Hinz, Medienproduzentin und Verlegerin des Silberfuchs-Verlages schreibt in einer neuen Blog-Reihe von „impulse“ über das befruchtende Zusammenspiel von Kultur, Kreativität und Wirtschaft.

In diesem Blog lesen Sie, wie das Drogerieunternehmen dm auf kreative Weise seine MitarbeiterInnen fördert, welche soft skills Manager von Dirigenten lernen können und wie man einander durch „Mitarbeiter-Slams“ besser kennen lernen kann. Sehr ausführlich und mit eindrucksvollen Fotos können Sie sich über die Projekte 2014 des Nordkollegs Rendsburg informieren, die wir in unserem Blogbeitrag „Bilanz zur Halbzeit: Erfahrungen aus drei Pilotprojekten“ bereits kurz beleuchtet haben.

Künstlerische Interventionen bringen frischen Wind in die Firma. Antje Hinz listet zehn Stärken von Künstlern auf, von denen Unternehmen profitieren können. Und sie beschreibt zehn Szenarien, in denen KünstlerInnen und Kreative ihrer Meinung nach den Unternehmen einen entscheidenden Anschub geben können:

  1. Wachstum und Umstrukturierung
    Ein Unternehmen wächst rasant oder wird umstrukturiert. Wie können sich Unternehmer und Mitarbeiter auf die neuen Strukturen einstellen und Abläufe neu gestalten? Wie ändert sich die Kommunikation nach innen und außen?
  2. Serviceorientierung
    Im Unternehmen steht Service an erster Stelle. Wie gelingt es den Mitarbeitern, sich dem Kunden mit mehr Achtsamkeit und Engagement zuzuwenden?
  3. Mitarbeiterpflege
    Es kommt vermehrt zu Kündigungen. Wie kann erreicht werden, dass sich die Mitarbeiter dem Unternehmen stärker verbunden fühlen?
  4. Nachwuchs- und Fachkräftemangel
    Ein Unternehmen hat Schwierigkeiten Fachkräfte zu finden. Mit welchen neuen Mitteln können geeignete Mitarbeiter erreicht werden?
  5. Komplexes Wissen
    Ein Unternehmen steht vor großen Herausforderungen, weil das notwendige Fachwissen immer komplexer wird. Wie kann Wissen sinnvoll recherchiert, gesammelt, strukturiert und für alle Mitarbeiter aufbereitet werden?
  6. Eigenverantwortung
    Ein Unternehmer sieht sich ständig wachsenden Aufgaben gegenüber. Welche Aufgaben kann er Mitarbeitern übertragen? Entstehen positive Nebeneffekte, wenn sie mehr Verantwortung erhalten? Wie lässt sich die Persönlichkeit stärken?
  7. Fehlerkultur
    Ein Unternehmen will nach innen und außen besser auf Fehler reagieren beziehungsweise sie bereits im Vorfeld vermeiden. Wie konstruktiv mit Fehlern umgehen? Wie lässt sich der Kundenservice verbessern, zum Beispiel bei Rückrufaktionen?
  8. Monotonie
    In einem Unternehmen müssen häufig eintönige Arbeiten erledigt werden. Wie lassen sich Mitarbeiter motivieren, die Arbeit dennoch sorgfältig auszuführen.
  9. Produkte und Dienstleitungen
    Kunden nehmen Produkte und Dienstleistungen nicht mehr so positiv an wie früher. Wie können bestehende Angebote neu präsentiert werden? Wie werden neue, innovative Angebote entwickelt?
  10. Wertschätzung
    Ein Unternehmen beschäftigt Mitarbeiter aus unterschiedlichen Kulturen und quer durch alle Generationen. Wie gelingt es, dass sich Mitarbeiter besser kennenlernen, sich Wertschätzung entgegenbringen, sich verbunden fühlen und im Unternehmen an einem Strang ziehen?
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Musenkuss für die Wirtschaft

© David Payr
© David Payr

 

 

 

 

„Musenkuss für die Wirtschaft“ titelt der Bestseller die Ausgabe 11/12_2014 mit dem Untertitel „Was Unternehmen von der Kunst lernen können“. Die Titelgeschichte ist ein Interview mit Lilli Hollein (Vienna Design Week) und Anja Hasenlechner (hasenlechner art-consult). Auch sie sind Vermittler zwischen Kunst und Wirtschaft. Beide plädieren dafür, „Kunstschaffende als visionäre Vordenker wahrzunehmen, weil sie andere Zugänge zu den relevanten Themen haben“ (Hollein).

 

Auf den Seiten 26 – 29 geht es dann um die Künstlerische Intervention. Die Journalistin Doris Neubauer hat Karin Wolf und mich interviewt und bringt es mit folgendem Zitat auf den Punkt: „Künstler bringen ihre künstlerischen Fähigkeiten, Sichtweisen und besonderen Arbeitsprozesse ein. Sie kommen aus einer anderen Welt, sie kennen die Sprache, die Regeln und Codes von organisationen nicht. Das ist ihr Vorteil. Sie sind neugierig, nehmen differenziert war, sie hinterfragen konsequent, reflektieren, was sie erleben, suchen neue Zusammenhänge.“

Erich Wiesmüller _Inner Circle
Erich Wiesmüller _Inner Circle

Als Praxisbeispiel schildert sie die Arbeit des Künstlers Erich Wiesmüller für die Consultants Inner Circle1). Susanne Bixner, Partnerin und Leiterin des Büros berichtete ihr, dass der Künstler völlig freie Hand hatte und es für alle spannend war zu sehen, wie er aufgrund seiner Wahrnehmung die Organisation interpretierte: „Wiesmüller hat nicht nur unser Tätigkeitsspektrum sondern speziell die Stimmung hier in unserem Büro erspürt und wiedergegeben.“

Interessant dann auch der Beitrag über Kreativität und das Brechen bestehender Regeln. Denn „Neues entsteht nur, indem Altes infrage gestellt wird“ sowie das Interview mit dem Bürgermeister von Reykjavik, der viele Kreative ins Rathaus brachte, um die Stadt aus einer fundamentalen Krise zu führen.

1) Erich Wiesmüller ist Mitglied in unserem Künstlerpool, hier das Interview mit ihm.

Link zum Heft download

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Führen und Folgen: Was Manager vom Tanz lernen können II

Zum ersten Mal gab es heuer auf der wichtigsten internationalen Fachkonferenz zu diesem Thema, der Art of Management Conference in Kopenhagen, Dänemark, einen ganzen Stream zum Thema „Dance, Choreography and Organisation“. Brigitte Biehl-Missal (University of Essex; BSP Business School Berlin Potsdam) und Claus Springborg (Cranfield University und freiberuflicher Berater) haben zu dieser Serie eingeladen und konnten rund 12 Vortragende begrüßen und bis zu 40 Teilnehmer in den einzelnen Workshops.
Brigitte Biehl-Missal hat im Blogbeitrag „Führen und Folgen: Was Manager vom Tanz lernen können I“ bereits einen ersten Einblick in das Programm der Konferenz und dieses Streams geboten. Nun erfahren wir mehr über die einzelnen Veranstaltungen.

©Brigitte Biehl-Missal
©Brigitte Biehl-Missal

 

Brigitte Biehl-Missal:

„Offensichtlich sind „Führen“ und „Folgen“ nicht nur abstrakte Konzepte des Managementalltags, sondern haben ursprünglich etwas mit Bewegung zu tun und sind auch in Tanzformen zu finden. Diese Frage nach einem quasi verkörperten Verständnis von Führung, die die Organisation von Menschen im Zeit und Raum betrifft (so lässt sich übrigens auch der Begriff Choreographie definieren) ist relativ neu in der Managementforschung.

Nach unserer Einführung, die im ersten Blogbeitrag nachzulesen ist, sprach Fahri Akdemir (Viadrina Universität Frankfurt Oder) darüber, welche Führungsstrategien Choreographen anwenden, um Tänzer vor einem Auftritt in ein funktionierendes Team zu verwandeln. Es gibt Strategien, die zwar gut für die Performance sind, aber die Motivation senken können, etwa wenn Tänzer nur als „pack“ in der Gruppe performen dürfen und nicht als Individuum ihr Bestes geben können – genau wie in einer Organisation.
Sophie Bennett (Aberystwyth University) übertrug in ihrem Beitrag den Zirkus als Modell auf die zeitgenössische Organisation. Es geht um Kreativität, Zusammenspiel und den so genannten Flow (Theorie von Csikszentmihalyi), der Höchstleistung ermöglicht und viel mit dem Körper und Bewegung zu tun hat.

Lasse Lychnell (Stockholm School of Economics) leitete mit einer Übung zu Contact Improvisation ein: Die Teilnehmer mussten in der Bewegung immer mindestens einen Kontaktpunkt behalten, sei es ein Finger, Ellenbogen oder ein anderer. Hier zeigte sich, dass schon diese Organisation von Moment zu Moment stattfindet, und nicht nur kopfbasiert ist, sondern auf Impulsen und Reaktionen beruht. So geschieht effiziente Führung auch oft in anderen Kontexten.

Nina Bozic (Coach for Entrepreneurship and Innovation, Stockholm) untersuchte Tanz als Forschungsmethode und wie sie Innovation in Organisationen unterstützen kann. Wendelin Küpers’ (Karlshochschule Karlsruhe) betonte ebenfalls die relationalen, also zwischenmenschlichen Aspekte von Führung, die jeden Moment in der Interaktion neu verhandelt werden.

©The economic body
©The economic body

 

Anna-Mi Frederiksson (Tänzerin und Choreographin, Stockholm) erklärte ihre Tanz-Performance  „The Economic Body“ , die am Vorabend im Auditorium der Business School aufgeführt wurde. Sie stellte die Frage nach den sozialen Strukturen, die Menschen und ihre Interaktion quasi „choreographieren“ und überlegte, wie Menschen auf Organisationsdruck und verschiedenste Zusammenhänge reagieren und wie sich das in der Bewegung zeigt – und andersherum.

 

Bei Sue Shaw und Andrew Rowe (Manchester Metropolitan University) ging es um den Rhythmus der Erfahrung von Frauen, die von Firmen ins Ausland entsendet werden. Hier zeigt sich, dass der Arbeitsalltag körperlich empfunden wird, er ist rhythmisch oder dissonant, verzerrt oder zu schnell. Leistung und Arbeit sind also stark beeinflusst von Biorhythmus und dem persönlichen Empfinden im sozialen Kontext.

Fides Matzdorf und Ramen Sen (Sheffield Hallam University) leiteten uns zu einigen Figuren und Techniken des klassischen Turniertanzes an. Es wurde klar, dass Tanz eine Art Konversation in Raum und Zeit ist, mit eigener Grammatik, wie eine Sprache und ein sehr diszipliniertes Ausdrucksmedium. Der „Leader“ managed beim Paartanz die Routine, wie die Bewegung durch den Raum (Ausweichen, Überblick) und der „Follower“ ist verantwortlich für „the look“, dafür, dass es gut aussieht. Beiden ist daran gelegen, den anderen und das Team gut darzustellen. Es geht dabei nicht nur um Schrittfolgen, sondern um nonverbale Abstimmung, um die sofortige Reaktion auf Bewegungen und Richtungsänderungen. Auf dem Foto sehen wir Fides und Ramen bei der Bewegung sowie mich und Claus (links) nicht nur als Wissenschaftler und Stream-Koordinatoren, sondern ungewöhnlich zusammen als Tanz-Paar beim Versuch, die Theorie praktisch nachzuspielen.

©Brigitte Biehl-Missal
©Brigitte Biehl-Missal

Claus Springborg und Ian Sutherland teilten ihre Erfahrungen beim Einsatz von Tanzworkshops im Hochschulkontext. Kaum zu glauben: Teilnehmer eines MBA-Kurses waren nicht mal in der Lage, einem Chor aus Testpersonen ein überzeugendes Signal aus Gesten und Körperhaltung zum Einsatz zu liefern. Wie kann man nur mit so wenig körperlicher Ausdrucksstärke Mitarbeiter in Unternehmen zu etwas „bewegen“ wollen? Diese Episode unterstrich, wie notwendig solche kunstbasierten Interventionen wären.

In meinem abschließenden Vortrag „Gender, Movement and Organisational Leadership“ habe ich über den Zusammenhang von Bewegung und Gender gesprochen, der auch für die Wahrnehmung von Führungspersonen entscheidend ist. Nicht umsonst heißt ein soziologischer Klassiker in diesem Bereich „Throwing like a girl“ (Iris Marion Young, 1990). Wer keine Energie und Kraft in der Bewegung vermittelt, wird schnell mit Diminutiven bedacht und auch so wahrgenommen. Ich habe ein Beispiel aus dem klassischen Ballett diskutiert, wo Weiblichkeit über Kostüme und den vom Mann getragenen Pas-de-deux entsteht, sowie über modernen Tanz (Trisha Brown) gesprochen, der andere, selbstbestimmte Bewegungen zeigt. So müssen auch Frauen und Männer darüber nachdenken, dass der eigene körperliche Ausdruck stark dazu beiträgt, wie frau und man wahrgenommen werden.

Fazit: Mit dem ersten Zusammenkommen einer Gruppe von Wissenschaftlern zum Thema Tanz, Bewegung und Management auf dieser Fachkonferenz konnten wir ein neues Forschungsfeld definieren. Wir haben verschiedene Aspekte thematisiert, von dem eher theoretischen Ansatz von Tanz als Metapher über Tanz als Forschungsmethode zur Datensammlung bis hin zu Tanz als ästhetische Praxis, die unser Verständnis von Führung um viele körperbasierte und zwischenmenschliche Dimensionen erweitert. Die Praxis entwickelt sich parallel mit den Beraterinnen und Beratern, die Tanz und Bewegung zur Personal- und Organisationsentwicklung nutzen.“

Die “8th Art of Management and Organization Conference” wird 2016 an der IEDC Business School Bled, Slovenia stattfinden.

Auch Antje Hinz meint auf ihrem Medienportal MassivKreativ! dass Unternehmer von Tänzern lernen können und verweist auf die beiden Berichte I und II in unserem Blog. Interessant finde ich die Verbindung zwischen den Fragen zum Tanz und den Fragen an den Unternehmer in seiner Rolle als Chef. Hier einige Beispiele:

Fragen an die Tänzer:
Welche Vorgaben werden auf dem Parkett gemacht? Wie führt ein Tänzer und in welcher Weise kann der andere Partner folgen? Wieviel Freiraum lässt man sich gegenseitig? Auf welche Art des Tanzens bzw. auf welchen Stil hat man sich zuvor geeinigt? Will man sich lieber klassisch routiniert in traditionellen Bewegungs- und Rollenmustern präsentieren oder neue experimentelle, ungewöhnliche Wege wagen? Welche Ausstrahlung hat das Paar auf dem Parkett?

Fragen an den Unternehmer:
Haben Sie Ihre Rolle als Chef fest definiert? Welches Selbstbild und welchen Führungsstil tragen Sie nach außen? Sehen Sie sich als Solo-Performer oder als Paartänzer bzw. Team-Player? Welchen Part gestehen Sie anderen zu? Lassen Sie auch „Kapriolen“ oder „Pirouetten“ zu? Welche Rolle spielt das Publikum? Hat es Einfluss darauf, wie sicher Sie sich bewegen? Wie wirken sich Umgebung, Raum und Zeit auf Ihre Präsentation aus?

In einer Künstlerischen Intervention können Unternehmen zum Beispiel mit einer Tänzerin, einem Tänzer arbeiten. Antje Hinz motiviert dazu: „Finden Sie in einem Bewegungsworkshop heraus, in welcher Rolle Sie oder Ihre Mitarbeiter sich wohl fühlen! In welchen Situationen wirken Sie entspannt und authentisch? Erleben Sie hautnah, warum Sie mit der einen oder anderen Entscheidung Bauchschmerzen hatten. Finden Sie heraus, wieviel Wissen, Technik und Handwerk für Sie wichtig ist und wieviel Intuition. Wieviel Spontaneität und Improvisation ertragen Sie und Ihre Mitarbeiter? Was könnte Sie zusätzlich inspirieren und motivieren?“

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Bilanz zur Halbzeit: Erfahrungen aus drei künstlerischen Pilotprojekten

©Volker Sponholz www.purefruit-magazin.de
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Das Projekt „Unternehmen! KulturWirtschaft“ am Nordkolleg Rendsburg in Schleswig-Holstein zieht zur Halbzeit Bilanz. Das Team um Projektleiterin Lena Mäusezahl initiiert und begleitetet künstlerische Interventionen in regionalen Unternehmen, agiert also als Intermediär zwischen Kunst und Wirtschaft.

Ohne das Nordkolleg als Mittler wären die künstlerischen Interventionen nicht entstanden, sind sich die Akteure aus Kultur und Wirtschaft einig. In einem ersten Rückblick auf die gemeinsamen Experimente wurde Bilanz gezogen: „Standard-Rezepte und –formate gibt es für die Interventionen nicht. Jede Intervention ist auf eine individuelle Fragestellung ausgerichtet und wird maßgeschneidert. Dabei können sämtliche Kunstsparten und Formate zum Einsatz kommen. Unsere Kernkompetenz liegt darin, ein passendes Matching und eine gute Prozessbegleitung zu gewährleisten“, erklärt Lena Mäusezahl.

Hier die kurze Beschreibung der Pilotprojekte:

©Volker Sponhlz,www.purefruit-magazin.de
©Volker Sponhlz,www.purefruit-magazin.de

 

 

Bei Holm & Laue in Westerrönfeld, Spezialisten für die Kälberaufzucht, errichteten die Flensburger Künstlerinnen Dany Heck und Christiane Limper für fünf Wochen ein Künstlerbüro. Von dort aus starteten sie einen humorvollen Befragungsprozess und kreierten in neu durchmischten Mitarbeiterteams eine gemeinsame Wohlfühlzone im Kälber-Iglu.

©Volker Sponhlz,www.purefruit-magazin.de
©Volker Sponhlz,www.purefruit-magazin.de

 

Bei Haus & Grund Kiel, einem Verein von Haus- und Wohnungseigentümern, machten Hanno Hart und Gabi Kob aus den Mitarbeiterinnen in der Empfangshalle eine Filmcrew, um den Teamgeist aufzufrischen und den Blick auf die eigene Arbeitswelt neu zu erfinden. In vier Monaten entwickelte und produzierte das Team eine hauseigene Serie.

 

©Volker Sponhlz,www.purefruit-magazin.de
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Bei der Getreide AG Rendsburg, einem weltweit agierenden Agrarhandels-Unternehmen, fanden sich die Nachwuchsführungskräfte am Zeichentisch wieder. Dort entwarfen sie mit Tim Eckhorst und Gregor Hinz ein gemeinsames Bild ihres Unternehmens in Form einer Comic-Landkarte.
Die Illustrationen im Bericht von Birthe Dierks wurden von Volker Sponholz während der Veranstaltung „Halbzeit“ als Graphic Recording live gezeichnet.

Die wissenschaftliche Begleiterin, Dr. Anke Strauß vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung erklärte, die Qualität der künstlerischen Interventionen liege darin, Menschen zu öffnen. Das bestätigten auch die teilnehmenden Unternehmen, sowohl die Kommunikation insgesamt als auch besonders konstruktive Kritik sind seit den Projekten verstärkt zu erleben. Dabei gab es anfangs überall etwas Skepsis gegenüber den Künstlern. Die Künstler haben es aber jeweils geschafft, diese Skepsis in eine positive Dynamik zu überführen.

In der nächsten Projektphase wird es darum gehen, die gewonnene Expertise zu dokumentieren und die Erfahrung in die nächsten Projekte einfließen zu lassen. Das Projekt, das noch bis Ende 2015 läuft, wird vom Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, dem Zukunftsprogramm Wirtschaft der EU, dem Bund und dem Land Schleswig-Holstein gefördert.

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Führen und Folgen: Was Manager vom Tanz lernen können I

Brigitte Biehl-Missal (University of Essex; BSP Business School Berlin Potsdam) hat gemeinsam mit Claus Springborg (Cranfield University und freiberuflicher Berater) Ende August in Kopenhagen bei der Konferenz „Art of Management and Organisation“ einen der thematischen Streams konzipiert und geleitet: „Dance, Choreography and Organisation“. Sie schildert aus ihrer persönlichen Perspektive in zwei Beiträgen die Erfahrungen der drei Tage und wie dies die Forschung und Praxis voranbringt.

©Brigitte Biehl-Missal
©Brigitte Biehl-Missal

 

Brigitte Biehl-Missal:

„Die Art of Management and Organisation Conference begrüßt alle zwei Jahre an verschiedenen Orten Wissenschaftler und Praktiker, die Kunst und Management zusammenbringen. Im September 2014 tagten wir in der Copenhagen Business School – ein erstklassiger Ort, da hier einst das erste universitäre „Center for Art and Leadership“ gegründet wurde. Hier finden Sie das detaillierte Programm

Diese Konferenz gibt es seit etwa 12 Jahren und sie hat das innovative Forschungsfeld „Kunst und Wirtschaft“ sowohl gefestigt als auch verbreitert. Was wir in der letzten Dekade erlebt haben war zunächst eine theoretische Ausarbeitung dieses Feldes, das sich beispielsweise an Kunst-Metaphern orientiert hat, um einen neuen Blick auf die Welt des Managements zu erschließen. Etwa hat uns die Analogie von „Unternehmen als Theater“ gezeigt, dass Menschen ihre Rollen auch in Firmen spielen, vor Kollegen, Kunden und den Vorgesetzen, dass Dienstleistungen und Erlebnisse zunächst inszeniert und dann verkauft werden. Unternehmen wurden als Orchester betrachtet und als Jazzbands, bei denen improvisiert und zusammengespielt werden muss.

2014 wurde Creativity and Design als Schwerpunkt gewählt. Damit standen Erfahrungen mit Kunstbasierten Initiativen für Innovation, Kreativität in Gruppen, Kunst in der Managementausbildung, Ästhetik in der Arbeitswelt, Kunst als Prozess sowie Tanz, Choreographie und Organisationen am Programm.

©Cleve Holtman/Krista Petäjäjärvi
©Cleve Holtman/Krista Petäjäjärvi

 

 

 

 

 

Als Auftakt zu Konferenzbeginn waren die TeilnehmerInnen zum Beispiel selbst Teil einer kunstbasierten Erfahrung. Die finnische Künstlerin Krista Petäjäjärvi verband die mehr als 100 Menschen mit einem Band, das sie dann in die Hand nahmen und sich im Netzwerk gemeinsam bewegten, ohne das Band zu zerreißen.

 

 

 

 

 

 

Vom Unternehmen als Jazzband ist es kein weiter Weg zur Tanz-Metapher, die wir in unserem Stream untersucht haben. Zur Relevanz des Themas ist zu sagen, dass sich diese Managementforschung zunehmend auf die „Ästhetik“, also die sinnliche Wahrnehmung von Organisationen konzentriert hat, um zu erklären, welche schwer fassbaren Faktoren Mitarbeiter und Organisationsmitglieder beeinflussen, motivieren und antreiben.

©Biehl-Missal und die Statue
©Biehl-Missal und die Statue

 

In diesem Kontext deckten die Teilnehmer unseres Streams zu „Dance, Movement and Organisation“ verschiedene Themen ab. Statt einer Aneinanderreihung von Vorträgen haben wir in jedem Block mit praktischen Bewegungsübungen begonnen, die zum Thema passten und dem Gesagten über die persönliche Erfahrung noch eine ästhetische Dimension hinzufügten. Durch die Übungen zu Contact Improvisation, gender-spezifischer Bewegung und Improvisation lernten wir uns auch besser kennen und hatten Spaß an Theorie und Praxis.

 

Was wir und die Konferenz-TeilnehmerInnen in den verschiedenen Workshops erlebt und erfahren haben, beschreibe ich im 2. Teil dieses Blog-Beitrags.“

 

 

 

 

 

 

 

Wir danken Frau Biehl-Missal für den Bericht und empfehlen für einen Überblick über das Thema ihr Buch „Wirtschaftsästhetik. Wie Unternehmen die Kunst als Inspiration und Werkzeug nutzen“  , das in unserem Blog bereits rezensiert wurde.

Auch Antje Hinz meint auf ihrem Medienportal MassivKreativ! dass Unternehmer von Tänzern lernen können und verweist auf die beiden Berichte I und II in unserem Blog. Interessant finde ich die Verbindung zwischen den Fragen zum Tanz und den Fragen an den Unternehmer in seiner Rolle als Chef. Hier einige Beispiele:

Fragen an die Tänzer:
Welche Vorgaben werden auf dem Parkett gemacht? Wie führt ein Tänzer und in welcher Weise kann der andere Partner folgen? Wieviel Freiraum lässt man sich gegenseitig? Auf welche Art des Tanzens bzw. auf welchen Stil hat man sich zuvor geeinigt? Will man sich lieber klassisch routiniert in traditionellen Bewegungs- und Rollenmustern präsentieren oder neue experimentelle, ungewöhnliche Wege wagen? Welche Ausstrahlung hat das Paar auf dem Parkett?

Fragen an den Unternehmer:
Haben Sie Ihre Rolle als Chef fest definiert? Welches Selbstbild und welchen Führungsstil tragen Sie nach außen? Sehen Sie sich als Solo-Performer oder als Paartänzer bzw. Team-Player? Welchen Part gestehen Sie anderen zu? Lassen Sie auch „Kapriolen“ oder „Pirouetten“ zu? Welche Rolle spielt das Publikum? Hat es Einfluss darauf, wie sicher Sie sich bewegen? Wie wirken sich Umgebung, Raum und Zeit auf Ihre Präsentation aus?

In einer Künstlerischen Intervention können Unternehmen zum Beispiel mit einer Tänzerin, einem Tänzer arbeiten. Antje Hinz motiviert dazu: „Finden Sie in einem Bewegungsworkshop heraus, in welcher Rolle Sie oder Ihre Mitarbeiter sich wohl fühlen! In welchen Situationen wirken Sie entspannt und authentisch? Erleben Sie hautnah, warum Sie mit der einen oder anderen Entscheidung Bauchschmerzen hatten. Finden Sie heraus, wieviel Wissen, Technik und Handwerk für Sie wichtig ist und wieviel Intuition. Wieviel Spontaneität und Improvisation ertragen Sie und Ihre Mitarbeiter? Was könnte Sie zusätzlich inspirieren und motivieren?“

 

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Kunst irritiert – und wirkt!

„Künstlerische Irritationen in Unternehmen“ ist der Titel einer Publikation von Susanne Fenkart in der Zeitschrift momentum Vol. 3, No 2., nachzulesen unter

http://www.momentum-quarterly.org/index.php/momentum/article/view/80

Was mir besonders an dieser Arbeit gefällt ist

– Die gute Auswahl der drei Praxisbeispiele, die eine breite Palette von möglichen Kunst-Interventionen beschreiben. Einerseits zeigt Susanne Fenkart die Gemeinsamkeiten auf, gleichzeitig erstaunt gerade die völlig unterschiedliche Herangehensweise der KünstlerInnen und die Reaktion von Management und MitarbeiterInnen.

– Die Autorin stellt höchst spannende Fragen am Ende jeder Fallstudie, die dazu einladen, gleich selbst zu überlegen, wie man sich in einer solchen Situation verhalten würde.

– Die durchgängige Betrachtung des Themas Kunst und Organisationsentwicklung entsprechend den Prinzipien des Systemischen Management. Sie schreibt zum Beispiel, dass systemtheoretisch betrachtet Fortschritt durch Interventionen und Irritationen aus der Umwelt ausgelöst wird. Das sind die wesentlichen Elemente für Veränderungsprozesse und Weiterentwicklung in sozialen Systemen. Durch Irritation wird ein System gestört, auf etwas aufmerksam gemacht, angeregt. Die Kunst irritiert dadurch, dass sie nicht festlegt, wie sie die Realität beobachtet – kritisch, idealisierend, ironisch – ohne das Ziel gleich mit anzugeben. Kunst zeigt auf, dass mehr Kombinationen möglich sind als angenommen, dass alles auch anders gemacht werden könnte.

Damit erhöht sich die Chance, dass gewohnte Verhaltensweisen verändert werden, und zwar vom System selbst. Allerdings ist Widerstand unvermeidlich, denn die Systeme wehren sich zunächst gegen die Angriffe von außen. Fenkart zitiert den führenden systemischen Organisationsberater Fritz B. Simon (aus seinem Beitrag „Künstlerische Interventionen im wirtschaftlichen Kontext“ im Buch Oeconomenta):

„ Die Art des Wirksamwerdens, ohne dass die Wirkung vorhersehbar ist, wird als Irritation bezeichnet, das heißt, das Geschubstwerden wirkt auf das so behandelte System als „Störung“ oder „Anregung“ , auf die es seiner internen Strukturen gemäß reagiert. Auf diese Weise ist es in der Lage, aus Erfahrungen zu lernen und Strukturen wie Verhaltensschemata zu verändern.“

Susanne Fenkhart
Susanne Fenkart

Bereits 2011 sind mir die Arbeiten von Susanne Fenkart aufgefallen, als ich im Internet die Kurzbeschreibung ihrer Studie „Zum Verhältnis von Kunst und Wirtschaft“ fand. Seither sind wir in ständigem Mailkontakt, heuer im Mai haben wir uns dann endlich persönlich kennen gelernt. Neben dem Team um Ariane Berthoin Antal vom WZB Wissenschaftszentrum Berlin und unserem Team vom Institut für Kunst und Wirtschaft in Wien ist Susanne Fenkart eine der wenigen, die sich wissenschaftlich mit dem Thema Kunst und Wirtschaft beschäftigen. Deshalb schätzen wir den Austausch mit ihr ganz besonders.

Susanne Fenkart schloss 2013 ein Diplomstudium der Kunstgeschichte und gleichzeitig ihr Doktoratsstudium der Sozial- und Wirtschaftswissenschaften an der Universität Innsbruck ab. Für ihre Dissertation „Zum Verhältnis von Wirtschaft und Kunst“ führte sie 28 narrative Interviews mit Unternehmensvertretern und Bildenden Künstlern in Österreich, Deutschland, Italien und Liechtenstein. Die Arbeit wird im Herbst im Kulturverlag Kadmos erscheinen und ich werde natürlich das Buch hier im Blog besprechen. Anlässlich des Welttags der Wissenschaft am 10.11.2014 wird Frau Fenkart den Wissenschaftspreis des Landes Vorarlberg – Spezialpreis zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses – im Landhaus Bregenz überreicht bekommen. Wir gratulieren!

Nun aber zu ihrer gerade erschienenen Arbeit „Künstlerische Irritation in Unternehmen“. Fenkart spannt den Bogen von der Kunst die immer schon gesellschaftliche Entwicklungen und Probleme thematisiert hat über die Wirkung von Irritation auf den Fortschritt bis zu den Einsatzmöglichkeiten und der Wirkung künstlerischer Irritationen in Unternehmen.

Anhand von drei Beispielen zeigt sie dann die Vielfalt der Wirkungen auf. Eines dieser Praxisbeispiele, das Projekt „8 x 5 x 363 + 1“ der Künstlerin Raphaelle De Groots, kannte ich noch nicht und fand die Beschreibung so spannend, dass ich Frau Fenkart eingeladen habe, darüber einen Beitrag für diesen Blog zu schreiben. Sie werden die Geschichte über die Tuchfabrik Cittadellarte in Biella, Italien, also demnächst hier lesen können. Es geht um den Arbeitsalltag der MitarbeiterInnen, die durch punktuelle Handlungen der Künstlerin angeregt wurden, die eigene Arbeit zu reflektieren – eine sanfte Irritation der bestehenden Ordnung.

Die beiden anderen Beispiele können Sie sowohl in der Arbeit von Susanne Fenkart als auch in diesem Blog lesen – aus zwei Perspektiven, die einander ergänzen.

© Petri Virtanen Central Art Archives Helsinki
© Petri Virtanen Central Art Archives Helsinki

Da ist zunächst das umfassende unternehmerische Kunstengagement einer führenden Unternehmensberatung, der Droege Group in Düsseldorf, das seit rund 20 Jahren ein integraler Bestandteil der Unternehmensphilosophie ist. Im Kunstkonzept von Droege wird davon ausgegangen, dass der Umgang mit Kunst zum Sehen anstiftet und damit einen Bewusstwerdungs-Prozess unterstützt.

Das dritte Fallbeispiel, „The Trainee“, ist wohl die eindeutigste „Irritation“ eines Systems. Oder wie würden Sie reagieren, wenn eine neue Praktikanten, die anfangs den Erwartungen gemäß gearbeitet hat, nun ruhig an ihrem Schreibtisch sitzt und offensichtlich NICHTS tut? Und wenn Sie auf Ihre Nachfrage antworten würde: „Ich denke nach“? Deloitte präsentierte das Projekt in zahlreichen Museen international und u.a. in seiner Lounge am Helsinki Vantaaa Airport.

Hier also nochmals die Einladung die Beispiele nachzulesen und der Link zur Arbeit von Susanne Fenkart:

http://www.momentum-quarterly.org/index.php/momentum/article/view/80

Und hier der Link zu den zwei Praxisbeispielen, die bereits in unserem Blog beschrieben wurden:

WeiterlesenKunst irritiert – und wirkt!