Die Autorin des Buches „Wirtschaftsästhetik. Wie Unternehmen die Kunst als Inspiration und Werkzeug nutzen“ und Professorin an der Business School Berlin Potsdam, Brigitte Biehl-Missal, lehrt nun auch an der Universität Hannover. Am Institut für Interdisziplinäre Arbeitswissenschaft studieren Berufstätige in einem Weiterbildungsstudiengang, der Arbeit und Menschen in den Mittelpunkt stellt. Im Lehrplan findet man aktuelle Titel wie Wertschätzende Dialoge, Humor als Burnout-Prävention, Organisationale Achtsamkeit bei Veränderungsprozessen – und so wundert es auch nicht, dass künstlerische Themen und Methoden wie Ästhetik und Kunst als Quelle für Inspiration, Teamentwicklung mit musikalischen Interventionen, Innovationsdramaturgie und die Macht der Metapher als Innovationsmethode vermittelt werden.
Brigitte Biehl-Missal hat uns von ihrem Seminar, das sie kürzlich gehalten hat, einen inspirierenden Bericht geschickt:
„Es ist ein seltenes Geschenk, dass wissenschaftliche Seminare illustriert werden. Umso mehr habe ich mich gefreut, dass Tanja Föhr, Teilnehmerin an meinem Seminar „Ästhetik und Kunst als Quelle für Inspiration in Unternehmen“ ihr Feedback in Form von Aquarellen ausgedrückt hat. Eine passendere Antwort hätte man für diesen Seminartitel wohl nicht finden können.
Die Innovationsmanagerin hat zunächst ein Zitat von Warren Buffet abgewandelt, der von sich behauptete: „I am not a business man, I am an artist“. Föhrs farbiges Aquarell illustriert dabei sehr treffend, wie viel Management doch mit unscharfen Grenzen und sich verändernden Formen zu tun hat. Nur Wasserfarben können diesen Eindruck vermitteln, da sie anders als die scharfen Linien anderer Farben ineinander übergehen und schlecht „kontrollierbar“ sind. Ebenso wenig wie die Führung von Menschen und geschäftliche Entscheidungen im 21. Jahrhundert.
Ein weiteres Bild verdeutlicht die beiden Seiten von Kunst mit zwei Figuren, die einen dicken Bauch haben. Einerseits geht es um Machtdemonstration wie beim Ex-Deutsche-Bank-Chef Rolf Breuer, der sich mit einem Kunstwerk dekoriert, welches in seiner Abstraktheit auch ihn als abstrakt denkend und innovativ präsentieren soll (meine Prezi-Folie im Hintergrund). Der andere Bauch visualisiert das „Bauchgefühl“, welches viele unternehmerische und individuelle Entscheidungen nicht zu Unrecht beeinflusst. In der Managementforschung ist der Begriff des impliziten Wissen besonders wichtig um zu erklären, wie Menschen sich in Organisationen verhalten. Man geht davon aus, dass dieses von der ästhetischen, also sinnlichen Wahrnehmung beeinflusst ist.
Hier schließt der Stuhlkreis an, bei dem knubbelige Männchen ihre steife Position aufgegeben haben, vielleicht weil sie wie wir im Seminar das Gedicht „The Road Not Taken“ des amerikanischen Pulitzerpreis-Trägers und Lyrikers Robert Frost gelesen haben. Berater bei Boston Consulting haben dies auch durchgeprobt. Die Lehren daraus? Ein Gedicht ist offen, fast unendlich interpretierbar, wird mit näherem Hinsehen und Hinhören noch komplexer und enthüllt weitere Bedeutungen. Genau dies muss eine Führungskraft auch wissen, die sich vom einfachen Entweder-/Oder-Denken verabschieden muss. Beim Gedicht geht es darum, dass an einer metaphorischen Weg-Gabelung eine Entscheidung getroffen werden muss. Der Poet schreibt nicht nur, sondern macht uns fühlen, dass damit ein wenig Einsamkeit und Angst einhergeht, weil es keinen Weg zurück gibt – wie im Leben und auch im Manageralltag, wenn es um Entlassungen und Risiken gehen mag. Schließlich wirft Föhr noch einen Blick auf die Metapher, dass Organisationen wie Jazz sind. Führung wechselt sich ab, es wird improvisiert und es ist Schwung drinnen! Ein Ideal des zeitgemäßen Managements, was aber in der Realität nicht immer hält. Das wirft auch die Frage auf: Wie würde Ihr Unternehmen klingen? Wer sich ein wenig mit dieser Frage beschäftigt, wird schnell auf Rhythmen, Melodien und auch Dissonanzen stoßen.“
Brigitte Biehl-Missal war im März v.J. Impulsreferentin bei unserem Diskussionsforum im Uhrenmuseum. Die Besprechung ihres Buches „Wirtschaftsästhetik“ lesen Sie im Bereich Literatur.
Und die Zeichnungen von Tanja Föhr finden Sie auch unter diesem Link
Diese Form der Dokumentation wird bereits bei vielen Konferenzen eingesetzt und „Whiteboard Drawings“ genannt, die KünsterlerInnen nennt man „Scribing artists“.